Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. bedarfsorientierte Grundsicherung. Anwendbarkeit von § 44 SGB 10. Einkommenseinsatz. Anrechnung des Kindergeldes. volljähriges behindertes Kind
Orientierungssatz
1. Bei Leistungen nach §§ 41ff SGB 12 und nach dem GSiG handelt es sich um Sozialleistungen iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB 10.
2. Das an die Eltern ausgezahlte Kindergeld eines in häuslicher Gemeinschaft lebenden volljährigen behinderten Kindes ist nicht auf die Leistungen nach §§ 41ff SGB 12 bzw nach dem GSiG anzurechnen.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Nachzahlung von Leistungen zur Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) bzw. dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) vom 01.12.2004 bis zum 30.06.2005.
Der ... 1961 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und dauerhaft erwerbsgemindert. Er lebt bei seiner Mutter, die zu seiner Betreuerin bestellt ist.
Mit Bescheiden vom 11.01.2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Grundsicherung bei Erwerbsminderung für den Monat Dezember 2004 nach dem GSiG und für die Zeit vom 01.01.2005 bis auf weiteres nach dem SGB XII. Dabei rechnete der Beklagte das Kindergeld, das der Mutter des Klägers gezahlt wurde, in Höhe von 154,00 EUR monatlich als Einkommen des Klägers an. Mit Bescheid vom 14.06.2005 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid für die Zeit ab dem 01.07.2005 auf. Er bewilligte dem Kläger Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von weiter 234,20 EUR. Hierbei rechnete er weiter das an die Mutter gezahlte Kindergeld als Einkommen des Klägers an. Einen gleichlautenden Bescheid erließ der Beklagte unter dem 23.06.2006.
Gegen den zuletzt Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und verwies auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem April 2005, wonach Kindergeld nicht beim Kind als Einkommen anzurechnen sei.
Mit Bescheid vom 21.07.2005 hob der Beklagte die bisherigen Bewilligungsbescheide auf und berechnete ab August 2005 die Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes neu. Eine Änderung für den Zeitraum bis zum 31.07.2005 lehnte er ab. Mit Bescheid vom 14.09.2005 stellte der Beklagte den Grundsicherungsanspruch auch für den Juli 2005 ohne Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen des Klägers neu fest. Eine Aufhebung der Bescheide für den vorangegangenen Bewilligungszeitraum lehnte er weiter ab.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 23.09.2005 ebenfalls Widerspruch.
Diesen wies der Beklagte mit Bescheid vom 01.02.2006 zurück. Zur Begründung trug er vor, dass § 44 SGB X, der die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes auch für die Vergangenheit zulasse, nicht einschlägig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes finde § 44 SGB X im Sozialhilferecht keine Anwendung.
Zur Begründung seine am 09.02.2006 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Anwendbarkeit von § 44 SGB X im Sozialhilferecht auf das Recht der Grundsicherung nicht gelte. Vielmehr sei dem Bayerischen Verwaltungshof zu folgen, der im Recht der Grundsicherung § 44 SGB X für anwendbar halte.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 21.07.2005 und 14.09.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2006 und unter entsprechender Abänderung der Bescheide vom 11.01.2005, 14.06.2005 und 23.06.2005 weitere Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom 01.12.2004 bis zum 30.06.2005 in Höhe von monatlich 154,00 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Nichtanwendbarkeit von § 44 im Sozialhilferecht auch im Recht der Grundsicherung Anwendung finde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Beklagte hat zu Unrecht in der Zeit vom 01.12.2004 bis zum 30.06.2005 das an die Mutter des Klägers gezahlte Kindergeld als Einkommen des Klägers angerechnet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Nachzahlung der ihm deswegen zu Unrecht nicht gezahlten Leistungen zur Grundsicherung bei Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 154,00 EUR.
Der Anspruch ergibt sich aus § 44 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 SGB X. § 44 SGB X ist nicht nur für die Zeit ab dem 01.01.2005 anwendbar, sondern auch für die Zeit in der die Leistungen d...