Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. keine Hilfe zur Pflege. Schenkung eines Hausgrundstücks. Belastung mit einem lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch. Vermögenseinsatz. Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers. kein Lauf der 10-Jahres-Frist. Übertragbarkeit der BGH-Rechtsprechung
Orientierungssatz
1. Ein Hilfebedürftiger hat keinen Anspruch auf Hilfe zur Pflege gem §§ 61 ff SGB 12, wenn er über Vermögen gem § 90 Abs 1 SGB 12 verfügt. Zu diesem Vermögen gehört auch ein Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 BGB, wenn er nicht nach § 529 Abs 1 BGB ausgeschlossen ist.
2. Ist ein verschenktes Hausgrundstück mit einem lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch zugunsten des Schenkers belastet, ist die Leistung noch nicht als vollzogen iS des § 529 Abs 1 BGB anzusehen, so dass der Schenker alle Vorteile des Grundstücks selbst weiter ziehen kann und sein Geschenk nie tatsächlich an den Beschenkten geleistet hat.
3. Die Rechtsprechung des BGH zu § 2325 Abs 3 BGB ist auf § 529 Abs 1 BGB übertragbar, da hier als Dritter der Sozialhilfeträger zu berücksichtigen ist, dessen Interesse an einem Schutz vor einer möglichen Benachteiligungsabsicht sonst verkannt würde (Anschluss an BGH vom 27.4.1994 - IV ZR 132/93 = BGHZ 125, 395).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) und dabei um die Frage, ob die Klägerin über ein vorrangig einzusetzendes Vermögen in Form eines Schenkungsrückforderungsanspruches verfügt.
Die 1918 geborene Klägerin war zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann Eigentümerin eines Grundstücks mit Wohngebäude in Z. Mit notariellem Vertrag vom 03.03.1998 übergaben die Klägerin und ihr Ehemann das Grundstück an ihre Tochter. In Ziff. III des Vertrages heißt es: “Die Eheleute W. und H. S. behalten sich als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB den lebtäglichen und unentgeltlichen Nießbrauch am übergebenen Grundstück vor. Die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch wird bewilligt und beantragt.„
Am 21.07.2008 beantragte die Klägerin beim Beklagten Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in Form der Kostenübernahme für ambulante häusliche Pflege. Mit Bescheid vom 01.08.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil die Klägerin zum einen über einzusetzendes Barvermögen verfüge, das die Freigrenze übersteige, und zum anderen ein Hausgrundstück an ihre Tochter verschenkt habe, das sie zurückfordern könne. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2009 (dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 20.11.2009) zurück. Zwar sei das Barvermögen seit dem 01.06.2009 aufgebraucht, der Gewährung von Sozialhilfe stehe jedoch weiterhin entgegen, dass die Schenkung des Grundstücks zurückgefordert werden könne.
Am 18.12.2009 hat die Klägerin zum Sozialgericht Freiburg Klage erhoben und vorgetragen, dass ein Schenkungsrückforderungsanspruch der Klägerin gegen ihre Tochter nach § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht bestehe, weil die Zehnjahresfrist des § 529 Abs. 1 BGB bereits abgelaufen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 01.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen der Hilfe zur Pflege ab dem 01.06.2009 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass § 529 Abs. 1 BGB dem Schenkungsrückforderungsanspruch nicht entgegenstehe. Denn die Schenkung sei erst dann vollständig vollzogen, wenn auch der belastende Nießbrauch erloschen sei. Da ein solcher noch bestehe, habe die Zehnjahresfrist noch gar nicht zu laufen begonnen. Die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 2325 Abs. 3 BGB sei auf § 529 Abs. 1 BGB übertragbar.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten über die Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da alle Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärten.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 01.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2009 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege ab dem 01.06.2009.
Nach § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Zu diesem Vermögen gehört auch der Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 BGB. Ein solcher ist hier nicht nach § 529 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
Der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes ist nach § 529 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Eintritts der Bedürftigkeit des Schenkers seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall, we...