Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7. Arbeitsvertrag. vertragliche Nebenpflicht. Hilfeleistung beim Abladevorgang. Transportgewerbe
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Versicherungsschutz bzw zur Zuständigkeit einer "Hilfeleistung" beim Abladevorgang im Speditionsgewerbe, hier: Zurechnung zum Beschäftigungsverhältnis.
2. Es kommt für die Zurechnung nicht darauf an, dass keine vertragsrechtliche Verpflichtung für das Entladen bestanden hatte. Die vertragliche Ausgestaltung der "Entladeverpflichtungen im Transportgewerbe" hat für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der versicherten Tätigkeit nur eine untergeordnete (unwesentliche) Bedeutung. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse des konkreten Einzelfalles, die die verbandsmäßige Zuordnung zum Versicherungstatbestand begründen.
3. Die konkrete Verrichtung des Versicherten gehörte als versicherte Tätigkeit objektiv zu seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Es gehört zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten eines Arbeitnehmers, durch geeignete Maßnahmen aufgrund der betrieblichen Tätigkeit mögliche entstehende Sachschäden gering zu halten und drohende weitere Schäden nach Möglichkeit abzuwenden.
4. Ein Arbeitsvertrag begründet für beide Vertragsparteien Schutz- und Verhaltenspflichten, die ihre allgemeine gesetzliche Grundlage in § 241 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) haben und wegen der auf Dauer angelegten engen personalen Beziehungen (§ 613 BGB) im Arbeitsvertragsrecht besonders ausgeprägt sind.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 36.000,-- € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Streit, wer für die Leistungserbringung nach einem tödlichen Arbeitsunfall zuständig ist.
Am 26. Juli 2007 transportierte der als Kraftfahrer bei der Speditionsfirma J. GmbH - dem Mitgliedsunternehmen der Klägerin - beschäftigte C.A. (im Folgenden: Versicherter) einen Transformator vom Hersteller in S. zur Firma R. - dem Mitgliedsunternehmen der Beklagten - in S1.
Das Entladen des 2,6 Tonnen schweren Transformators vom Lkw gestaltete sich nach den polizeilichen Ermittlungen umständlich und ergab die Beteiligung mehrerer Mitarbeiter der Firma R. sowie des Versicherten.
Nach den aus dem Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnissen lieferte der Versicherte zum ersten Mal bei der Firma R. Waren an. Er fuhr den Lkw nach Instruierung durch einen Mitarbeiter rückwärts an eine Versandladerampe auf dem Firmengelände heran, so dass ein weiterer Mitarbeiter der Firma R. die in der Rampe befestigte Ladebrücke um ca. 10 cm überlappend auf die Ladefläche des Lkw herabließ. Der auf einer Holzpalette befindliche Transformator war in seiner ursprünglichen Stellung mit einem Hubwagen nicht unterfahrbar. Der Versicherte öffnete nach Loslösen der Spanngurte die linke Seitenplane seines Lkw, so dass die Mitarbeiter der Firma R. den Transformator mit Hilfe eines Gabelstaplers so drehten, dass ein heckseitiges Entladen mit zwei Hubwagen - bedient durch jeweils einen Mitarbeiter der Firma R. - erfolgen konnte.
Die Anstrengungen, den Transformator mit den zwei Hubwagen von der Ladefläche des Lkw über die Ladebrücke auf die Rampe zu ziehen klappen nicht und bedurften weiterer Unterstützung. Hierbei half der Versicherte den Mitarbeitern der Firma R.. Zwei Mitarbeiter der Firma R. und der Versicherte standen hinter dem Transformator und schoben ihn von der Ladefläche des LKW aus an.
Beim Überziehen auf die Rampe kippte der Transformator von den Gabeln der Hubwagen nach hinten und fiel herunter während die Überladebrücke aus ihrer Verankerung brach. Der Transformator stürzte auf den Versicherten, wobei er sich schwerste Kopfverletzungen zuzog und unmittelbar am Unfallort verstarb.
Die Klägerin gewährte der Ehefrau des Versicherten mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 Witwenrente und Sterbegeld.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2008 setzte die Klägerin die Beklagte erstmals über das Unfallereignis des Versicherten in Kenntnis und übermittelte die Verwaltungsvorgänge. Gleichzeitig bat sie um Anerkennung der Zuständigkeit der Beklagten.
Die Beklagte entgegnete mit Schreiben vom 4. April 2008 und lehnte ihre Zuständigkeit ab. Sie führte aus, der Versicherte habe den tödlichen Unfall bei der Ausübung seiner Tätigkeit im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma J. erlitten und sei nicht wie ein Beschäftigter für die Firma R. tätig geworden. Die Firma R. habe lediglich Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt, um ein Entladen der Ware zu ermöglichen.
Mit Schreiben vom 24. April 2008 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 7.715,48 Euro an. Die im Einzelnen bezifferten Aufwendungen setzten sich aus dem Sterbegeld, der Rente im Sterbevierteljahr bis zum 31. Oktober 2007 und von der ab 1. November 2007 gewährten monatlichen Rente sowie Übersetzungskosten zusammen. Die Klägerin gab an, dass sic...