Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung von Transfermaßnahmen. Bedrohung durch Arbeitslosigkeit. Modell "sanierender Übergang" gem Rechtsprechung des BAG. Vermeidung eines Betriebsübergangs
Leitsatz (amtlich)
1. Haben Arbeitnehmer im Rahmen des BAG-Modells "sanierender Übergang" einen sogenannten 3-seitigen-Vertrag abgeschlossen, sind sie von Arbeitslosigkeit bedroht und haben dem Grunde nach Anspruch auf die Förderung von Transfermaßnahmen gem § 216a SGB 3.
2. § 216a SGB 3 ist sanierungsfreundlich auszulegen.
3. Bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals "von Arbeitslosigkeit bedroht" im Rahmen des § 216 SGB 3 ist auf die Sicht des Arbeitnehmers abzustellen.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 17.07.08 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.08 und der Bescheid vom 23.10.2008 werden abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 100.400,00 EUR zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Förderung einer Transfermaßnahme für Arbeitnehmer.
Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Bonn vom 01.04.2007 (Az. 95 IN 8/07) zum Insolvenzverwalter des Automobilzulieferers I. mit Sitz in B. (nachfolgende “Insolvenzbetrieb„) bestellt.
Zum 01.06.2008 wurde der Insolvenzbetrieb durch die N. mbH (“Betriebsmittelerwerber„) übernommen. Die Übernahme gestaltete sich wie folgt:
Der Betriebsmittelerwerber machte die vorherige Beendigung der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten, verbunden mit dem Übertritt in eine Transfergesellschaft, zur Bedingung der Übernahme der Betriebsmittel, da aus Sicht des Betriebsmittelerwerbers die Fortführung des Betriebs mit der gesamten Belegschaft und deshalb auch der Eintritt in alle Arbeitsverhältnisse gem. § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht möglich war.
Dieses Ziel wurde durch folgende Maßnahmen erreicht:
Zunächst wurde am 28.04.2008 eine Betriebsvereinbarung über die Schaffung von Auffangstrukturen für den Betrieb B. zwischen dem Insolvenzbetrieb, dem beigeladenen Betriebsrat und der Industriegewerkschaft Metall geschlossen. Hierin wurde vereinbart, dass mit den Beschäftigten ein so genannter 3-seitiger Vertrag geschlossen werden soll, um eine “sanierende Übertragung„ des Betriebs im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 10.12.1998, 8 AZR 324/97; 23.11.2006, 8 AZR 349/06) zu ermöglichen. Für den Fall, dass ein Beschäftigter den 3-seitigen Vertrag nicht abschließt, wurde vereinbart, dass der Insolvenzbetrieb berechtigt ist, das entsprechende Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Kündigung zu beenden. Aus diesem Grund wurde eine Kündigungsnamensliste im Sinne des § 125 Insolvenzordnung (InsO) aufgestellt. Zugleich kamen die Vereinbarungsparteien überein, dass betriebsorganisatorisch eigenständige Einheiten (“beE„) geschaffen werden sollen. Die erste beE wurde ab dem 01.06.2008 im Rahmen der Transfergesellschaft M. GmbH (“Transfergesellschaft„) eingerichtet. Die beE endete mit Ablauf des 31.05.2009.
Die mit den Beschäftigten abgeschlossenen 3-seitigen Verträge hatten zum Inhalt, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Insolvenzbetrieb zum 31.05.2008, 24 Uhr endete. Zugleich wurde vereinbart, dass mit Wirkung zum 01.06.2008, 0 Uhr ein Wechsel in ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der beE stattfand. Das Arbeitsverhältnis mit der beE endete am 31.05.2009. Das Arbeitsverhältnis endete u.a. auch dann, wenn zwischen dem Beschäftigten und dem Betriebsmittelerwerber ein Arbeitsverhältnis zustande kam. Weiter wurde vereinbart, dass während des gesamten Arbeitsverhältnisses mit der beE “Kurzarbeit Null„ gem. § 216b SGB III gearbeitet werde. Das Transferkurzarbeitergeld (“TKuG„) wurde von der beE auf 90 % des Nettoarbeitsentgelts aufgestockt.
Voraussetzung für die Gewährung von TKuG ist gem. § 216b Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 216b Abs. 4 Nr. 4 SGB III indes, dass der Arbeitnehmer vor der Überleitung in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit aus Anlass der Betriebsänderung an einer arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maßnahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten teilgenommen hat. Gemeint sind hier Transfermaßnahmen gem. § 216a SGB III (z.B. Profilingmaßnahmen). Eine solche Profilingmaßnahme führte die B.-GmbH, ausweislich der Rechnung vom 17.06.2008, zwischen 23.04.2008 und 21.05.2008 für den Insolvenzbetrieb zum Preis von insgesamt 339.864 EUR (285.600 EUR zzgl. 19% Ust.) durch.
Am 21.04.2008 beantragte der Insolvenzbetrieb bei der Beklagten die Förderung der Transfermaßnahme für 1524 Arbeitnehmer in Höhe von 154.200 EUR.
Mit Bescheid vom 17.07.2008 bewilligte die Beklagte dem Insolvenzbetrieb eine Förderung für 425 Arbeitnehmer. Für die übrigen Arbeitnehmer sei eine Förderung nicht möglich, da diese nicht von Arbeitslosigkeit bedroht seien. Der Abschluss eines 3-seitigen Vertrags mit der Transfergesellschaft für einen Tag sei dabei unerheblich. Der Zuschuss sei nach Abschluss der Maßnahme gesondert zu beantrag...