Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Bewilligungsbescheides für die Vergangenheit und Rückforderung der Leistung vom Leistungsempfänger. rückwirkende Rentenbewilligung. Auskehrung der Rentennachzahlung an Leistungsempfänger trotz angemeldetem Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers
Leitsatz (amtlich)
Keine Rückforderung von SGB 2-Leistungen vom Leistungsempfänger gem § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB 10 aufgrund einer rückwirkend bewilligten Erwerbsminderungsrente, wenn der Rententräger trotz angemeldeten Erstattungsanspruchs des Jobcenters die Nachzahlung an die Leistungsempfängerin auskehrt.
Tenor
1. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 07. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. April 2014 wird teilweise hinsichtlich der Monate August 2012 bis Oktober 2013 aufgehoben und die Erstattungssumme für den Monat November 2013 auf insgesamt 528,15 € reduziert.
2. Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten, mit dem dieser Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) aufgrund einer Nachzahlung aus einer Rente zurückfordert.
Die Klägerin stand seit 2007 im Leistungsbezug des Beklagten. Sie stellte im Juni 2009 einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bei der Beigeladenen. Gleichzeitig meldete der Beklagte Anfang Juli 2009 bei der Beigeladenen einen Erstattungsanspruch an. Der Beklagte bewilligte in der Folgezeit der Klägerin Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II, und zwar für den Zeitraum Juni bis November 2012 mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 10. Mai 2012, ersetzt durch endgültigen Bescheid vom 14. Juni 2012 mit Leistungen in Höhe von monatlich 715,79 Euro, für September 2012 in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 19. November 2012 in Höhe von 555,68 Euro, für den Zeitraum Dezember 2012 bis Mai 2013 mit Bewilligungsbescheid vom 19. Oktober 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19. November 2011 in der Fassung vom 24. November 2012 in Höhe von monatlich 715,79 Euro und für den Zeitraum von Juni 2013 bis November 2013 mit Bewilligungsbescheid vom 13. Mai 2013 in Höhe von 723,79 Euro.
Mit gerichtlichem Vergleich im Rahmen des Klageverfahrens zur Rente schlossen die Beigeladene und die Klägerin einen Vergleich, mit dem sich die Beigeladene zur rückwirkenden Rentenbewilligung ab 1. August 2012 bereit erklärte. Mit Rentenbescheid vom 4. November 2013 bewilligte die Beigeladene der Klägerin für den Zeitraum ab 1. August 2012 eine monatliche Rente von netto 693,02 Euro, ab 01. Januar 2013 in Höhe von netto 692,25 Euro und ab 1. Juli 2013 in Höhe von monatlich 714,15 Euro und gab an, die monatlich am letzten Tag des Monats fällige Rente erstmals Ende November 2013 auszuzahlen und den Nachzahlbetrag an die Klägerin unverzüglich auszuzahlen. Dabei gab die Beigeladene in dem Mitteilungsschreiben an das beklagte Jobcenter an, dass ein Erstattungsanspruch nicht bestünde. Im Bewilligungsbescheid der Klägerin führte die Beigeladene aus, Ansprüche anderer Stellen auf Erstattung seien bisher nicht bekannt geworden.
Auf dem Konto der Klägerin ging am 4. November 2013 ein Betrag in Höhe von 10685,52 Euro als Nachzahlung sowie am 30. November 2013 ein Betrag von 714,15 Euro als laufende Rente ein.
Nach erfolgter Anhörung hob der Beklagte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. Januar 2014 Leistungen der Klägerin vollständig ab 1. August 2012 bis 31. November 2013 auf und stellte einen Betrag von insgesamt 11052,01 Euro unter Benennung der monatlichen Erstattungsbeträge zur Erstattung. Dabei deckelte der Beklagte die Erstattungssumme auf den Betrag, der der monatlichen Rentenleistung entsprechen würde. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe gewusst oder wissen können, dass der ihr zuerkannte Anspruch durch die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsminderung zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei. Er stützte seine Entscheidung auf § 48 Abs. 1 S. 2 Ziffer 4 SGB X.
Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2014 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er ergänzend aus, die Klägerin habe mit Stellung der Weiterbewilligungsanträge Merkblätter erhalten, aus denen hervorginge, dass Erwerbsfähigkeit Voraussetzung für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II sei. Es sei grob fahrlässig, wenn sie die Informationsmaterialien nicht beachte.
Die Klägerin hat hiergegen am 9. Mai 2014 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben. Sie ist der Ansicht, die Feststellung der nachträglichen Erwerbsunfähigkeit führe nicht dazu, dass die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu Unrecht bewilligt worden seien. Der Beklagte sei außerhalb des Trägerwiderspruchsverfahrens nach § 44 Abs. 1 S. 6 SGB II nicht an die Feststellung des Rentenversicherungsträgers gebunden....