Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen in einem zugelassenen Sozialpädiatrischen Zentrum. Beschränkung auf ambulante Leistungen. Erforderlichkeit einer abgeschlossenen Diagnostik und eines individuellen Förder- und Behandlungsplans
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf die Gewährung von nichtärztlichen sozialpädiatrischen Leistungen im Sinne des § 43a Abs 2 SGB V bzw von nichtärztlichen Leistungen der Frühförderung im Sinne des § 30 Abs 2 SGB IX in einem gemäß § 119 SGB V zugelassenen Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) ist auf die Gewährung von ambulanten Leistungen beschränkt.
2. Ein Anspruch auf solche Leistungen setzt ua eine abgeschlossene Diagnostik sowie das Vorliegen eines individuellen Förder- und Behandlungsplans im Sinne von §§ 43a Abs 1, 30 Abs 1 SGB IX iVm § 7 Frühförderungsverordnung (FrühV) und § 6 Landesrahmenempfehlung zur Umsetzung der Frühförderungsverordnung in M-V voraus.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts B. wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der am 9. März 2012 geborene Antragsteller (Ast.) ist bei der Antragsgegnerin (Ag.) krankenversichert.
Ausweislich des Entlassungsberichts der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie XXX, in der sich der Ast. in der Zeit vom 7. September 2015 bis zum 10. Dezember 2015 in stationärer Behandlung befunden hatte, wurden folgende Diagnosen gestellt: “Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung, Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten, kombinierte vokale und multiple motorische Tics, keine umschriebene Entwicklungsstörung, unterdurchschnittliche Intelligenz, generalisierte idiopathische Epilepsie und epileptische Syndrome, akute Pharyngitis„.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2016 beantragte der Vorsitzende des Vereins “XXX„, welcher Träger des Sozialpädiatrischen Zentrums in A-Stadt (SPZ A-Stadt) ist, für den Ast. die Übernahme der Kosten für die vom SPZ für zwingend erforderlich festgestellte längerfristige Tagesbehandlung unter Verweis auf ein Schreiben des SPZ A-Stadt vom 21. Juni 2016 an den behandelnden FA für Kinder- und Jugendmedizin/Naturheilverfahren Dr. XXX. Daraus würde deutlich werden, dass die sonst ausreichende ambulante Behandlung im SPZ für diesen Patienten nach dem bisherigen Behandlungsverlauf keinen ausreichenden Erfolg versprechen würde. Andere Formen der Behandlung - auch in Verbindung mit intensiver Betreuung in geeigneten Kindertagesstätten - seien danach ebenso wenig weiterführend. Aus diesem Grunde habe das SPZ eine längerfristige Tagesbehandlung vorgeschlagen, über deren Behandlung und Vergütung abweichend von dem Kollektivvertrag über eine pauschale Vergütung ein gesonderter Vertrag auf der Grundlage von §§ 70, 140a SGB V abgeschlossen werden könnte. Der geplante Behandlungsablauf würde sich an den bereits in MV bestehenden Tageskliniken für Kinder auch im Vorschulalter orientieren. Weiter wird dort Bezug genommen auf eine Erklärung des Gesundheitsamtes des Landkreises XXX vom 3. März 2016 und den beigefügten Personalschlüssel sowie die Kostenberechnung für den vorliegenden Fall.
Dem Schreiben des SPZ A-Stadt vom 21. Juni 2016, welches von dem Psychologischen Psychotherapeuten XXX unterzeichnet worden ist, kann u.a. entnommen werden, dass, da langfristig die Betreuung des Ast. in seinem jetzigen Kindergarten anscheinend nicht gewährleistet werden könne, und eine erneute stationäre Aufnahme in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht sinnvoll erscheinen würde, aus psychologischer Sicht eine Integration in eine Tagesbetreuung, in der die Kinder in einem teilstationären Setting pädagogisch und therapeutisch begleitet und die Eltern engeingebunden würden, eine sinnvolle Maßnahme sei, um die Verhaltensstörungen des Ast. zu behandeln und ihn adäquat auf den Schulbesuch vorzubereiten.
Dem Schreiben des Landkreises XXX vom 3. März 2016, welches dort als Zuarbeit zum Konzept Einzelintensivbetreuung bei XXX (XXX) bezeichnet wird, kann u.a. entnommen werden, dass der Kinder- und Jugendärztliche Dienst des Gesundheitsamtes XXX die Einrichtung einer Tagesklinik für Kinder im Alter von ca. 3 Jahren bis zum Schuleintritt begrüßen würde, da hier eine Versorgungslücke für Vorpommern (östlicher Teil) bestehen würde. Immer wieder und im zunehmend jüngeren Alter würden dort Kinder vorgestellt, die aufgrund ausgeprägten selbst- und fremdgefährdendem Verhaltens nicht in eine KiTa-Gruppe integriert werden könnten. Pädagogische Maßnahmen, wie sie in einer integrativen Kindertagesstätte geleistet würden, seien in diesen Fällen nicht ausreichend. Langzeit-Diagnostik und entsprechend multiprofessionelle Therapien seien notwendig. Im Gegensatz zum vollstationären Setting sei mit dem Konzept der Tagesklinik die Einbeziehung der aktuellen Lebenssituation viel besser möglich, ...