Michele Schwirkslies, Jean Bramburger-Schwirkslies
Mit dem Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) wurde der § 3 Nr. 72 EStG neu eingeführt. Hiernach sind grundsätzlich alle Einnahmen und Entnahmen ertragsteuerfrei, die aus dem Betrieb einer PV-Anlage erwirtschaftet werden, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ gegeben sind:
- § 3 Nr. 72 a) EStG: Betrieb einer PV-Anlage auf, an oder in privat genutzten Einfamilienhäusern inklusive Nebengebäuden oder vorhandene PV-Anlagen auf nicht zu Wohnzwecken dienenden Gebäuden mit einer Bruttoleistung von bis zu 30 kWp und
- § 3 Nr. 72 b) EStG: Betrieb einer PV-Anlage auf an oder in sonstigen Gebäuden mit einer installierten Bruttoleistung von bis zu 15 kWp je Wohneinheit oder je Gewerbeeinheit.
Insgesamt darf die Bruttoleistung je Steuerpflichtigem oder Mitunternehmerschaft 100 kWp nicht überschreiten.
Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG umfasst insbesondere
- Entgelte für Stromlieferungen an Mieter,
- Vergütungen für das Aufladen von Elektrofahrzeugen,
- die bei den Einnahmeüberschussrechnern vereinnahmten und erstattetten Umsatzsteuerbeträge.
Die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG hat auch zur Folge, dass die mit der PV-Anlage in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht abgezogen werden dürfen. Es handelt sich insoweit um Kosten der Lebensführung gem. § 12 Nr. 1 EStG.
Wird der erzeugte Strom jedoch für betriebliche Zwecke genutzt und dient dieser Umsatz steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen, bleiben die hierauf entfallenden Betriebsausgaben weiterhin steuerlich abzugsfähig.
Steuerfreie Veräußerung von Photovoltaikanlagen
Sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG erfüllt, greift die Steuerbefreiung auch für Veräußerungserlöse aus der PV-Anlage in späteren Jahren.
Rückwirkende Steuerbefreiung ab Veranlagungszeitraum 2022
Für den Betreiber einer PV-Anlage, die in den Grenzen des § 3 Nr. 72 EStG liegt bedeutet dies, dass rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2022 weder die Gewinne aus der PV-Anlage noch die Verluste steuerlich berücksichtigt werden können. Die Steuerbefreiung gilt nicht nur für die neu angeschafften PV-Anlagen, sondern auch für Altanlagen. Mit der Steuerbefreiung soll ein Bürokratieabbau beabsichtigt werden, weil damit alle Betreiber von PV-Anlagen, die innerhalb der Grenzen des § 3 Nr. 72 EStG liegen keine Gewinnermittlung mehr aufstellen und auch keine Anlage G und EÜR mehr beim Finanzamt einreichen müssen.
Die Steuerbefreiung ist kein Wahlrecht
§ 3 Nr. 72 EStG stellt kein Wahlrecht dar. Erfüllt der Betreiber einer PV-Anlage die Kriterien, sind Gewinne ab dem Jahr 2022 nicht mehr zu versteuern bzw. Verluste nicht mehr mit anderen Einkünften verrechenbar.