Leitsatz
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags, soweit er nicht auf gewerbliche Einkünfte entfällt, ohne Berücksichtigung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG zu ermitteln ist.
Normenkette
§ 3 SolZG, § 15, § 35, § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Kläger, zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, erzielten im Streitjahr 2011 u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Mit Einspruch und Klage machten die Kläger geltend, die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG führe zu einer Begünstigung von Gewerbetreibenden und einer entsprechenden, nicht gerechtfertigten Benachteiligung aller anderen Steuerpflichtigen beim Solidaritätszuschlag. Sie begehrten daher zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags eine Schattenanrechnung nach § 35 EStG. Dabei gingen sie davon aus, ihre Einkünfte wären sämtlich solche aus Gewerbebetrieb gewesen, ermittelten auf dieser Grundlage einen fiktiven Anrechnungsbetrag und daraus folgend eine Minderung des Solidaritätszuschlags auf der Basis des 3,8-Fachen des Gewerbesteuermessbetrags. Sie hatten damit keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.6.2014, 12 K 1045/13, Haufe-Index 9111141).
Entscheidung
Die Revision blieb aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen im Ergebnis ebenfalls erfolglos.
Hinweis
Das Besprechungsurteil wurde nachträglich zur Veröffentlichung bestimmt. Es handelt sich um eine Parallelentscheidung zum BFH-Urteil vom 14.11.2018 (BFH, Urteil vom 14.11.2018, II R 64/15, BFH/NV 2019, 340, BFH/PR 2019, 118, BStBl II 2019, 289). Zu entscheiden war über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer "Besserstellung" der Bezieher gewerblicher Einkünfte (§ 15 EStG) im Hinblick auf die Belastung mit dem Solidaritätszuschlag.
1. Die Erhebung des Solidaritätszuschlags ist dem Grunde nach auch für das Jahr 2011 verfassungsgemäß.
2. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ist Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuer, die abweichend von § 2 Abs. 6 EStG unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG in allen Fällen des § 32 EStG festzusetzen wäre (§ 3 Abs. 2 SolZG).
3. Bei Steuerpflichtigen, die Gewerbesteuer zu zahlen haben, ist die reine Einkommensteuerbelastung aufgrund der Steuerermäßigung nach § 35 EStG in der seit dem Veranlagungszeitraum 2008 geltenden Fassung stets niedriger als bei denjenigen, die andere tariflich zu versteuernde Einkünfte derselben Höhe erzielen. Diese Vorschrift führt nämlich zu einer Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer. Die Gewerbesteuer wird bei Gewerbesteuerhebesätzen bis 380 % bei der Einkommensteuer vollständig kompensiert, aber niemals überkompensiert. Bei höheren Hebesätzen ist die Kompensation gedeckelt. Der Solidaritätszuschlag wird nach dieser ermäßigten Einkommensteuer bemessen. Die in § 51a Abs. 2 Satz 3 EStG enthaltene Regelung zur Bemessungsgrundlage der sog. Zuschlagsteuern, namentlich der Kirchensteuer, hat im SolZG keine Entsprechung und ist deshalb auf den Solidaritätszuschlag nicht anwendbar.
4. Die aufgrund § 3 SolZG und § 35 EStG auftretenden Belastungsunterschiede zwischen den Steuerpflichtigen, die Gewerbesteuer zu zahlen haben, und denen, die andere tariflich zu versteuernde Einkünfte in derselben Höhe erzielen, führen nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen. Es liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Der Gesetzgeber hat die ihm von Verfassungs wegen zustehende Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Bei Hebesätzen bis 400,9 % kommt es zwar wegen der Bemessung des Solidaritätszuschlags nach der ermäßigten Einkommensteuer zu einer (geringfügigen) Überkompensation der Gewerbesteuer. Bei höheren Hebesätzen ist aber die Gesamtbelastung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer ganz erheblich höher. Der Verzicht des Gesetzgebers darauf, bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags den Ermäßigungsbetrag nach § 35 EStG wieder hinzuzurechnen, ist eine gerechtfertigte Vereinfachung und Typisierung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.11.2018 – II R 63/15