Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 7
Der Inhalt der Prüfung ergibt sich sowohl aus Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2. Enumerativ sind Gründe in Abs. 2 genannt, ohne abschließend zu sein ("insbesondere"). Nach Abs. 2 der Vorschrift i. d. F. v. 6.5.2019, welcher dem Abs. 2a des § 106 bzw. des § 106a a. F. nachgebildet ist, besteht Veranlassung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit insbesondere
- bei begründetem Verdacht auf fehlende medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Fehlindikation),
- bei begründeten Verdacht auf fehlende Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Ineffektivität),
- bei begründetem Verdacht auf mangelnde Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualitätsmängel), insbesondere in Bezug auf die in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
- bei begründetem Verdacht auf Unangemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel oder
- bei begründetem Verdacht, dass Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie unvereinbar sind mit dem Heil- und Kostenplan.
Diese Beurteilungsgegenstände sind im Gegensatz zu den bisher von Amts wegen durchzuführenden Zufälligkeitsprüfungen, d. h. ohne irgendeine Auffälligkeit, auf einen im Antrag begründeten Verdacht abgestellt und ermöglichen somit eine (zahn-)arztbezogene und versichertenbezogene Prüfung der ärztlichen/zahnärztlichen Leistungen und damit eine auf Indikation, Effektivität, Qualität und Angemessenheit der verursachten Behandlungskosten bezogene Betrachtungsweise der Wirtschaftlichkeitsfrage durch die Prüfungsstelle. Sie sind für die Erreichung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende vertrags(zahn)ärztliche Versorgung, wie dies in § 72 Abs. 2 Satz 1 zum Ausdruck kommt, auch zielführender als die vor den Zufälligkeitsprüfungen gängigen rein statistische Prüfungen nach Durchschnittswerten, die auch als Auffälligkeitsprüfungen bezeichnet waren. Allerdings hatten die regionalen Vertragspartner für diese bedeutsameren Prüfungsgegenstände in der Vergangenheit keine akzeptablen Rahmenbedingungen entwickeln können, sodass die Verpflichtung zur Ausgestaltung der Beurteilungsgegenstände des Abs. 2 der Bundesebene im Rahmen der Richtlinienvereinbarung zum Inhalt und zur Durchführung der Zufälligkeitsprüfungen übertragen worden war (vgl. Abs. 3 Satz 1 a. F. der Vorschrift).
Andererseits sind die auf Bundesebene vereinbarten Richtlinien für die Zufälligkeitsprüfungen mit Wirkung zum 11.5.2019 entfallen bzw. nach Abs. 3 durch gemeinsame Rahmenempfehlungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und des GKV-Spitzenverbandes ersetzt worden, die bei den regionalen Prüfvereinbarungen zu berücksichtigen sind. Der Plural "Kassenärztliche Bundesvereinigungen" deutet darauf hin, dass Rahmenempfehlungen sowohl für die erbrachten ärztlichen Leistungen als auch für die erbrachten zahnärztlichen Leistungen geregelt werden sollen. Diese Rahmenempfehlungen sollten nach Abs. 3 Satz 1 bis zum 30.11.2019 vereinbart werden. Darüber hinaus haben die Partner des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) die Anlage 6 BMV-Ä (Vertrag über den Datenaustausch) an die neuen Vorgaben und die neue Frist anzupassen, damit die Prüfung sachgerecht umzusetzen ist.
Rz. 8
Die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen ist durch den Wegfall der Richtlinien der Bundesebene sowie die Streichung der bundeseinheitlichen Vorgaben zu den Zufälligkeitsprüfungen weitestgehend regionalisiert worden. Dazu gehört auch, dass die bisher gesetzlich vorgegebene Mindestprüfzahl von 2 % der vertragsärztlichen Leistungserbringer ersatzlos weggefallen ist, sodass in den regionalen Prüfvereinbarungen künftig die Zahl der je Quartal höchstens zu prüfenden vertragsärztlichen Leistungserbringer in einer KV sowie die im Rahmen der Prüfungen nach Abs. 1 und der Prüfungen nach Satz 1 als Kriterien zur Unterscheidung bestimmten Praxisbesonderheiten festzulegen sind, die sich aus besonderen Standort- und Strukturmerkmalen des Leistungserbringers oder bei besonderen Behandlungsfällen ergeben. Die Praxisbesonderheiten sind vor der Durchführung der Prüfungen als besonderer Versorgungsbedarf durch die Prüfungsstellen anzuerkennen; dies gilt insbesondere auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Besuchsbehandlungen (vgl. Abs. 4). Der Arzt kann die Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts dadurch entkräften, dass er zur Besonderheit seine Praxis vorträgt, die einen entsprechenden Mehraufwand der Honorar- und Verordnungskosten gegenüber der Fachgruppe rechtfertigen (Hess, in: beck-online Großkommentar, SGB V, § 106a Rz. 40; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 22.2.2023, L 7 KA 57/19). Gibt es dazu aus den Prüfunterlagen Anhaltspunkte für Praxisbesonderheiten, sind diese auch von Amts wegen zu berücksichtigen. Grundsätzliche Voraussetzung für die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten ist, d...