Rz. 2
Versicherte hatten nach bis zum 28.12.2022 geltenden Recht nur dann Anspruch auf vollstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn dies nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Nachrang einer vollstationären Behandlung wird nach dem nun geltenden Recht nochmals dadurch bekräftigt, dass vor einer vollstationären Behandlung zudem zu prüfen ist, ob das Behandlungsziel nicht auch durch eine tagesstationäre Behandlung erreicht werden kann. Die dafür in § 39 Abs. 1 und § 115e normierten Voraussetzungen und Modalitäten gehen auf die Vorschläge der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankheitsversorgung zur Tagesbehandlung im Krankenhaus zur kurzfristigen Entlastung der Krankenhäuser und des Gesundheitswesens vom 27.9.2022 zurück, die auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) im laufenden Gesetzgebungsverfahren umgesetzt wurden (vgl. BT-Drs. 20/4708). Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, die Krankenhäuser kurzfristig zu entlasten, die Belastungssituationen des Krankenhauspersonals zu verringern und das Personal von vermeidbaren Aufgaben zu entbinden, ohne Leistungen für Patientinnen und Patienten einzuschränken. Gleichzeitig sollen nach der amtlichen Begründung keine zusätzlichen Ausgaben im Gesundheitswesen verursacht, sondern Einsparungen erzielt werden. Bereits vor der Verabschiedung des Entwurfs sind Stimmen laut geworden, die dies aus guten Gründen bezweifelt und vor allen Dingen den übermäßigen Aufwand durch die Regelung in §§ 115e nachvollziehbar kritisiert haben (vgl. dazu näher Rz. 22).
Rz. 3
Der Gesetzgeber vermutet, sich ferner im Hinblick auf die Erbringung stationärer Leistungen in Form einer tagesstationären Behandlung auch auf das Interesse der Patienten stützen zu können, da diese für die Dauer der stationären Behandlung weiterhin ihrem häuslichen Umfeld verbunden bleiben könnten. Die insbesondere für ältere Patienten oftmals problematische Eingewöhnung in eine neue Umgebung und an eine neue Kontaktperson entfalle dadurch. Zudem werde das Risiko einer Ansteckung im Krankenhaus verhindert. Auch diese beiden Argumente überzeugen nur bedingt. Wenn sich die tagesstationäre Behandlung wiederkehrend über mehrere Tage erstreckt – was häufiger der Fall sein dürfte – kann ein Wechsel zwischen häuslicher Umgebung und Krankenhaus gerade für ältere Personen genauso belastend sein; auch das Infektionsrisiko sinkt nur bedingt. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse die in § 115e Abs. 5 verankerte erste Evaluation zum frühen Stichtag 30.7.2023 bringen wird.
Rz. 4
§ 115e trifft in Abs. 1 Regelungen zum Leistungsinhalt. Abs. 2 beinhaltet – unsystematisch – eine Sonderregelung zur Erstattung von Fahrtkosten, die aus Anlass einer tagesstationären Behandlung entstehen. Abs. 3 enthält den Kernpunkt der Norm im Hinblick auf die Abrechnung der tagesstationären Behandlung. Die Abs. 4 und 5 begründen Verpflichtungen zu Dokumentation und Evaluation.