2.1 Rechtsanspruch auf Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten Behandlung
Rz. 4
Der Gesetzestext "sind zu ermächtigen" in Satz 1 sichert den Einrichtungen der Behindertenhilfe einen Rechtsanspruch auf Teilnahme an der ambulanten ärztlichen Behandlung, wenn sie die genannten Voraussetzungen erfüllen. Das bedeutet, dass es auf die Bedarfsfrage, auf Über- oder Unterversorgung oder auf den Willen der KV oder der Krankenkassen nicht ankommt, sondern allein die Einrichtung entscheidet, ob sie einen Antrag auf Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten ärztlichen Behandlung beim zuständigen Zulassungsausschuss stellt. Sie ist andererseits aber nicht verpflichtet, ihren Rechtsanspruch jetzt oder zu einem späteren Zeitpunkt wahrzunehmen. Dies hängt vielmehr von den individuellen Gegebenheiten ab, die bei der jeweiligen Einrichtung der Behindertenhilfe vorliegen. Einrichtungen der Behindertenhilfe für körperbehinderte Versicherte sind nicht tangiert, sondern ausschließlich solche Einrichtungen, die auch Menschen mit geistiger Behinderung betreuen. Dies folgt aus dem Sachzusammenhang des Satzes 1, der zum Ermächtigungsgegenstand die ärztliche Behandlung von Versicherten mit geistiger Behinderung hat.
Rz. 5
Mit ärztlicher Behandlung ist vom Umfang her die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung gemeint; die Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten ärztlichen Behandlung geistig behinderter Menschen bedeutet deshalb nicht, dass die ärztliche Behandlung auf Leistungen außerhalb der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung erstreckt werden könnte. Mit der Ermächtigung ist gleichzeitig klargestellt, dass die Rechte und Pflichten der vertragsärztlichen Versorgung auch für die berechtigten Einrichtungen der Behindertenhilfe gelten.
2.2 Voraussetzungen der Ermächtigung
2.2.1 Ärztlich geleitete Abteilung
Rz. 6
Satz 1 regelt, dass die Einrichtung der Behindertenhilfe über eine ärztlich geleitete Abteilung verfügen muss, wenn sie an der ambulanten ärztlichen Behandlung von Versicherten mit geistiger Behinderung teilnehmen will. Die ärztliche Leitung muss auf Dauer und in der Funktion leitender Arzt/stellvertretender leitender Arzt gewährleistet sein. Eine ständige ärztliche Verantwortung, die keine ständige Anwesenheit eines verantwortlichen Arztes verlangt, wäre nicht ausreichend. Die in der Abteilung der Behindertenhilfe tätigen Ärzte verfügen von ihrer beruflichen Aufgabenstellung her über spezifische fachliche Kompetenzen bei der Versorgung und Betreuung geistig behinderter Menschen, welche die niedergelassenen Vertragsärzte i.d.R. mangels entsprechender Aus-, Fort- oder Weiterbildung so nicht besitzen und daher bei ihrer vertragsärztlichen Behandlung nicht anwenden können. Diese Kompetenzen, die sich in besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnissen dieser angestellten Ärzte äußern können, sind aber häufig gefragt, wenn es um die ausreichende ambulante ärztliche Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung geht. Insoweit weist Satz 4 deklaratorisch darauf hin, dass die ärztlich geleiteten Einrichtungen mit den übrigen Leistungserbringern eng zusammenarbeiten sollen. Gemeint sind damit die Leistungserbringer nach dem Vierten Kapitel SGB V. Erst die enge Kooperation sichert die angestrebte Verbesserung der Qualität der ambulanten ärztlichen Versorgung der Menschen mit geistiger Behinderung.
Rz. 7
Nichtärztliches Personal der ärztlich geleiteten Einrichtung ist von der Vorschrift nur insoweit tangiert, als dessen Hilfeleistung von dem Arzt angeordnet oder von ihm zu verantworten ist. Insoweit wird auf § 28 Abs. 1 verwiesen.
2.2.2 Ärztliche Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung
Rz. 8
Die Vorschrift enthält ein Angebot an Menschen mit geistiger Behinderung, welches sie im Rahmen ihrer ambulanten ärztlichen Behandlung wahrnehmen können. Ihr Recht auf freie Arztwahl wird dadurch aber keineswegs eingeschränkt. Geistige Behinderung geht oft einher mit neurologischen, orthopädischen, psychiatrischen oder allgemeinmedizinischen Krankheiten. Kennzeichen der Medizin geistig behinderter Menschen bleibt die Häufung mehrerer Zusatzerkrankungen und damit verbunden eine Mehrfachtherapie wie z.B. bei Epilepsien oder psychiatrischen Erkrankungen. Besonders auffällig sind Häufungen bestimmter Begleiterkrankungen wie Seh- und Hörstörungen, Reflux von Magensaft, Zahnprobleme, orthopädische Probleme und psychische Störungen, die in der Normalbevölkerung viel seltener auftreten. Die behandelnden Ärzte müssen diese Komorbidität kennen und ihre Auswirkungen auf die Lebensqualität der geistig behinderten Patienten einschätzen. Nicht selten macht eine fehlende oder eingeschränkte Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit umfangreiche und apparative Untersuchungen sowie eine enge Zusammenarbeit mit Angehörigen und Betreuern notwendig.
Rz. 9
Nach Satz 2 ist die ambulante Behandlung in Einrichtungen der Behindertenhilfe auf solche Versicherten auszurichten, die wegen der Art und Schwere ihrer Behinderung auf die ambulante Behandlung in diesen Einrichtungen angewiesen sind. Daran wird deutlich, dass die ambulante ärztliche Behandlung in Einrichtungen der Behindertenhilfe der vertragsärztlichen Versorgung durch niedergelassene Vertragsärz...