Rz. 5
Dass sich die Vereinbarungen auf neue, nicht festbetragsgebundene Arzneimittel beziehen, ergibt sich aus der Formulierung in Abs. 1 Satz 1 "abweichend von bestehenden Vereinbarungen oder Schiedssprüchen nach § 130b" und ebenso aus Abs. 1 Satz 3, dass durch die individuelle Vereinbarung nach Satz 1 eine Vereinbarung nach § 130b ergänzt oder ganz oder teilweise abgelöst werden kann. Darin kommt die Rangfolge zum Ausdruck, weil Ergänzung oder Ablösung voraussetzen, dass die Bundesvereinbarung zum Erstattungsbetrag bzw. eine Festsetzung des Erstattungsbetrages durch die Schiedsstelle überhaupt existieren. Die Rechtskonstruktion des § 130b mit dem Zwang zur Vereinbarung oder zur Festsetzung des Erstattungsbetrages für ein innovatives Arzneimittel würde dagegen großen Schaden bis hin zur Unwirksamkeit der Vorschrift nehmen, wenn dem pharmazeutischen Unternehmer von der Markteinführung des neuen Arzneimittels an eine Wahl zustehen würde, die Vereinbarung über den Erstattungsbetrag für ein neues, nicht festbetragsgebundenes Arzneimittel entweder auf Bundesebene oder auf Krankenkassenebene zu schließen. Mit Abs. 1 Satz 3 HS 2 ist klargestellt, dass durch Vereinbarungen nach Abs. 1 Satz 1 lediglich den Erstattungsbetrag nach § 130b ergänzende Rabatte vereinbart werden können, die im Nachhinein gewährt werden. Auch die in Abs. 1 Satz 2 genannten Regelungsalternativen wie
- mengenbezogene Staffelung eines Preisnachlasses,
- ein jährliches Umsatzvolumen mit Ausgleich von Mehrerlösen oder
- eine Erstattung in Abhängigkeit von messbaren Therapieerfolgen
sind nur dann für die Praxis in einer Vereinbarung nach Abs. 1 Satz 1 umsetzbar, wenn die abgegebene Arzneimittelmenge, das jährliche Umsatzvolumen oder der messbare Therapieerfolg als Ergebnisse vorliegen.
Im Verhältnis zur Vorschrift ist also die Regelung der Erstattungsbeträge in § 130b vorrangig anzuwenden. Das hat zur Folge, dass die Selektiverträge frühestens nach einem Jahr der Markteinführung geschlossen werden können, wenn die zeitaufwändig vereinbarten Erstattungsbeträge zu diesem Zeitpunkt bereits bestehen. Außerdem kann der Verhandlungsanreiz für Selektivverträge für die pharmazeutischen Unternehmer durch die gesetzliche Bindung an die Bewertung nach den §§ 35a, 35b, die Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, die Vereinbarungen nach § 84 und an die Informationen nach § 73 Abs. 8 Satz 1 geschmälert sein.
Im Verhältnis zur selektiven Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 ist die Vorschrift aber eine Spezialnorm, die gegenüber der Rabattvereinbarung Vorrang hat, wenn eine Vereinbarung über den Erstattungsbetrag nach § 130b besteht. Die Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 kann daher nur in Betracht kommen, wenn ein bundesweit geltender Erstattungsbetrag nicht festgesetzt ist. Das ist der Fall, wenn es sich um ein neues Arzneimittel (§ 35a Abs. 1) handelt, für das kein Festbetrag gilt. Die entsprechende Anwendbarkeit des § 130a Abs. 8 nach Abs. 1 Satz 6 der Vorschrift ist jedoch nicht nur als Aufforderung zur Ausschreibung der Verträge und zur Berücksichtigung des Kartellrechts zu verstehen, sondern stellt auch einen Bezug her zu den gesetzlichen Rabatten in § 130a Abs. 1, 1a, 2, 3a und 3b, die grundsätzlich auch bei den speziellen Selektivverträgen nach der Vorschrift zu gewähren sind, falls sie nicht im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten (vgl. Abs. 1 Satz 3) ausdrücklich abgelöst wurden.