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Die Versorgung mit SAPV muss nach Abs. 1 Satz 1 im regionalen Vertrag bedarfsgerecht gestaltet werden. Nach den zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens vorliegenden Schätzungen von Experten hatten bis zu 10 % aller Sterbenden einen solchen Versorgungbedarf, der im Rahmen der SAPV abgedeckt werden sollte. Für Kinder und Jugendliche lag keine gesonderte Schätzung vor, sodass deren Versorgungsbedarfs an SAPV nicht ermittelt worden war. Laut der Gesetzesbegründung konnte als Anhaltspunkt für eine bedarfsgerechte Versorgung von erwachsenen Palliativpatienten von einem aus 8 Vollzeitkräften bestehenden Versorgungsteam auf ca. 250.000 Versicherte ausgegangen werden. Diese Bedarfsschätzung kann aber nur für eine grobe Orientierung herangezogen werden.
Die individuelle Prüfung des regionalen Bedarfs an SAPV wird durch die vorgenannten Anhaltszahlen zur Bedarfsschätzung aber nicht ersetzt. Indikatoren für die individuelle Feststellung des Bedarfs an Leistungserbringern der SAPV können nach Nr. 2.4 der Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes insbesondere sein
- die regionale Siedlungsstruktur und die daraus resultierenden Rahmenbedingungen,
- die Altersstruktur,
- epidemiologisch relevante Erkrankungen,
- die demografische Entwicklung.
Bei der Bedarfsprüfung für die SAPV ist zwischen Regionen mit geringer, mittlerer und hoher Bevölkerungsdichte zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist ggf. nicht allein auf der Ebene der Bundesländer durchzuführen, sondern kann bis auf die Ebene der Kreise und kreisfreien Städte heruntergebrochen werden, um dem erheblichen Unterschied in der Bevölkerungsdichte auch innerhalb der Bundesländer gerecht zu werden.
Eine bedarfsgerechte Versorgung mit der SAPV ist insbesondere dann gegeben, wenn sie wohnortnah ausgerichtet ist und die Palliativpatienten, die einen besonderen Versorgungsbedarf haben, der durch die allgemeine Palliativversorgung nicht gewährleistet werden kann, ausreichend und zweckmäßig mit der Leistung der SAPV versorgt werden können. Die bedarfsgerechte Versorgung zeigt sich auch darin, dass es mit der SAPV mehr Menschen als bisher ermöglicht wird, in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung oder in stationären Pflegeeinrichtungen ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod zu führen (vgl. Nr. 2.3 der Empfehlungen).
Bei der Entwicklung einer bedarfsgerechten Versorgung sind nach Nr. 2.2 der Empfehlungen die bereits bestehende Strukturen so weit wie möglich einzubeziehen. In der Gesetzesbegründung war auch an bereits bestehende Strukturen angeknüpft worden, so dass alle zum Zeitpunkt der Einführung der Vorschrift vorhandenen Leistungserbringer (z. B. Vertragsärzte, medizinische Versorgungszentren, Pflegefachkräfte, Pflegedienste, Krankenhäuser, Hospize, Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI) an der neuen Versorgungsform SAPV teilnehmen konnten, wenn sie die im Vertrag vorgegebenen Anforderungen an die Leistungserbringung erfüllten. Dies erleichterte die Versorgung mit der SAPV zumindest in der Einführungsphase. Verträge sind aber jetzt nur noch in dem Umfang abzuschließen, wie sie für eine bedarfsgerechte Versorgung erforderlich sind.
Da sich die Zahl der abzuschließenden Verträge somit ausschließlich nach dem regionalen Versorgungsbedarf bestimmt (vgl. Abs. 1 Satz 1 "soweit dies für eine bedarfsgerechte Versorgung notwendig ist"), besteht für die Leistungserbringer kein einklagbarer Rechtsanspruch auf Vertragsabschluss.
Verfügt eine Krankenkasse nicht über eine ausreichende Versichertenzahl für SAPV, kann sie mit einer anderen Krankenkasse kooperieren und im Einverständnis mit den Leistungserbringern deren Vertrag über die SAPV gegen sich gelten lassen.