Rz. 1a
Die Vorschrift regelt das Zustandekommen der integrierten Versorgung als Alternative zur kollektivvertraglich geregelten Regelversorgung sowie den gesetzlich vorgegebenen Rahmen, in dem die integrierte Versorgung vereinbart werden kann. Das Vertragsprinzip lässt den Beteiligten, d.h. den Versicherten, Leistungserbringern und Krankenkassen, auf regionaler Ebene die Freiheit, sich per Einschreibung (vgl. § 140a Abs. 2) bzw. Einzelvertrag für die integrierte Versorgung anstelle der bisherigen sektoralen Versorgung (Regelversorgung) zu entscheiden. Ein Vertrag über integrierte Versorgung entsteht auf freiwilliger Basis, so dass entsprechend der Formulierung "können" in Abs. 1 Satz 1 weder die Krankenkasse noch die Leistungserbringer zum Vertragsabschluss gezwungen sind und auch die Versicherten entscheiden freiwillig (vgl. § 140 a Abs. 2 Satz 1) über ihre Teilnahme am Vertrag. In der freien Entscheidung der Krankenkasse für einen Vertragsabschluss unterscheidet sich der Vertrag über integrierte Versorgung z.B. vom Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73 b, zu dessen Abschluss die Krankenkasse verpflichtet ist.
Der Vertrag zur integrierten Versorgung ist auch nicht schiedsamtsfähig, so dass er nicht durch Anrufung des Schiedsamtes (vgl. § 89) erzwungen werden kann. Wenn die Krankenkasse durch die integrierte Versorgungsform die Qualität der medizinischen Versorgung ihrer Versicherten steigern, die Transparenz erhöhen und die Wirtschaftlichkeit verbessern möchte und in den Jahren 2004 bis 2008 auch von der Anschubfinanzierung nach § 140d partizipieren wollte, muss sie auf die nach Abs. 1 Nr. 1 bis 9 möglichen Vertragspartner zugehen und sie für den Abschluss eines Vertrages über integrierte Versorgung interessieren. Dies gilt für die einzelne Krankenkasse weiter, auch nachdem die Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung weggefallen ist.
Der Vertrag über die integrierte Versorgung vernetzt Artpraxen der verschiedenen Arztgruppen miteinander und bezieht je nach Bedarf medizinische Versorgungszentren oder deren Gemeinschaften, Praxiskliniken und andere Leistungserbringer wie z. B. ein zugelassenes Krankenhaus, eine zugelassene Pflegeeinrichtung, eine Apotheke, pharmazeutische Unternehmer, Hersteller von Medizinprodukten i. S. des Gesetzes über Medizinprodukte, die Erbringer von Heilmitteln oder eine ambulante oder stationäre Rehabilitationseinrichtung ein. So entsteht für die Patienten ein Versorgungsnetz, in dem sie gut und jederzeit fachkompetent betreut werden.
Rz. 1b
Auch Pflegekassen und zugelassene Pflegeeinrichtungen i.S. des SGB XI können mit den Krankenkassen Verträge über die integrierte Versorgung schließen bzw. mit Zustimmung aller Vertragspartner in bestehende Integrationsverträge eingebunden werden, um auf der Grundlage des § 92b SGB XI den Übergang zwischen ambulanter Behandlung, stationärer Behandlung im Krankenhaus, ambulanter oder stationärer Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung einerseits und Pflegeeinrichtungen andererseits zu verbessern. Insbesondere der sog. "Drehtüreffekt" zwischen Pflegeeinrichtung und Krankenhaus könnte so z.B. wirksam unterbunden werden. Mit der Einbindung der Pflegekassen bzw. der Pflegeeinrichtungen soll nach der Gesetzesbegründung auch auf den demographischen Wandel reagiert werden, der von einer veränderten Krankheitsstruktur mit Zunahme von chronischen Erkrankungen, Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit geprägt ist. Die bessere Verzahnung von Leistungen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung ändert aber auch bei der integrierten Versorgung nichts daran, dass die Kranken- und die Pflegekassen ihre Leistungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit jeweils selbst zu finanzieren haben, eine Kostenverlagerung also ausgeschlossen ist.
Rz. 1c
Die Vereinbarungspartner sollten sich darüber klar sein, dass die integrierte Versorgungsform im Prinzip auf Dauer angelegt wird und einen tiefgreifenden Wandel in der gesetzlichen Krankenversicherung auslöst; eine einmal eingeleitete Entwicklung wird nur schwer wieder rückgängig gemacht werden können, weil die an der örtlichen Versorgung beteiligten Ärzte und nichtärztliche Leistungserbringer erstmals ein direktes Verhandlungs- und Vertragsrecht zu den Krankenkassen bekommen, die Versicherten über definierte medizinische Angebote mit besonderem Service und in guter Qualität informiert werden und ggf. wissen, dass sie durch ihre Teilnahme an der integrierten Versorgung finanziell profitieren. Die Vertragskonstruktion erfordert zudem bei den Leistungserbringern Abstimmungen untereinander und ggf. Investitionen, Änderungen in den Behandlungsabläufen und bei der Praxisorganisation, die ebenfalls unumkehrbar sein werden. Dem Bericht v. 19.10.2009 der im Zuge der Rechtsbereinigung zum 1.1.2012 weggefallenen Registrierungsstelle nach § 140d Abs. 5 a. F. war im Übrigen zu entnehmen, dass die im Zeitraum 2004 bis 2008 gemeldeten Integrationsverträge überwiegend unbefristet, d. h. auf Dauer abgeschlosse...