2.1.1 Krankenkasse als Vertragspartner
Rz. 6
Nach Abs. 1 steht den Krankenkassen das originäre Recht zu, Verträge über integrierte Versorgungsformen zu schließen. Verträge können die Krankenkassen schließen, müssen es aber nicht, weil wegen der noch überwiegend kollektiven Vertragslage die Versorgung der Versicherten durch Gesamtverträge (§ 83), Versorgungsverträge (§§ 109, 111), dreiseitige Verträge für Praxiskliniken nach § 115, die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach § 116b, Verträge mit Leistungserbringern von Heilmitteln und Hilfsmitteln (§§ 125, 127), den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung, die Verträge mit pharmazeutischen Unternehmern und die Verträge mit Herstellern von Medizinprodukten als Regelversorgung sichergestellt ist und auf Grund des Gesetzes kein Vertragszwang für die integrierte Versorgung besteht. Allerdings sollten die Krankenkassen, nicht zuletzt aus Wettbewerbsgründen, die Chancen erkennen und umsetzen, die ihnen und ihren Versicherten die integrierte Versorgung bietet. Dazu zählen für die eingeschriebenen Patienten die Verbesserung der Qualität der Versorgung z.B. durch einen nahtlosen Behandlungsablauf, für die einzelne Krankenkasse die Möglichkeit, durch verstärkte Kooperation der Leistungserbringer zu Kosteneinsparungen zu kommen und für die Leistungserbringer ein kooperativer Behandlungsprozess mit mehr Transparenz, einem gezielteren Behandlungsablauf mit weniger Bürokratie und nicht zuletzt eine höhere Vergütung ohne striktes Honorarbudget wie bei der Gesamtvergütung der Regelversorgung.
Rz. 7
Die Landesverbände der Krankenkassen, welche die bisherige sektorale Versorgung (Regelversorgung) auf Krankenkassenseite über den kollektiven Gesamtvertrag (vgl. § 83) gestalten und mit der jeweiligen KV vereinbaren, haben bei der integrierten Versorgung kein originäres Vertragsgestaltungsrecht, können sich aber dann aktiv in die Vertragsgestaltung der integrierten Versorgung einschalten, wenn sie von ihren Krankenkassen dazu bevollmächtigt werden. Bei den großen Krankenkassen, die gleichzeitig Landesverbände sind (z.B. AOK), ist die Zuständigkeit für Verträge über integrierte Versorgungsformen ohnehin kein Problem, aber im Fall der integrierten Versorgung handeln auch sie als Krankenkasse. Nach der Gesetzesbegründung wäre es wünschenswert, dass die Krankenkassen vor Ort die Verträge gemeinsam und einheitlich aushandeln, was vermutlich auch im Sinne der anderen Vertragspartner wäre. Die meisten Leistungserbringer erklären offen, dass sie in der Praxis mit Integrationsverträgen unterschiedlichen Inhalts nicht zurechtkommen und von daher bei der Versorgung ihrer Patienten auf gemeinsame Verträge oder zumindest auf Verträge gleichen Inhalts angewiesen sind. Dennoch ist im Gesetz auf die sonst übliche Formulierung "gemeinsam und einheitlich" bewusst verzichtet worden, weil dies bedeutet hätte, dass eine einzige Krankenkasse durch ihr Veto alle anderen beim Vertragsabschluss blockieren und damit die Einführung der integrierten Versorgung verhindern könnte. Außerdem gibt es zwischen einzelnen Krankenkassen nicht die auf Bundes- oder Landesebene übliche Konfliktlösung durch Mehrheitsentscheidung; sie wäre auch nicht sachgerecht, weil jede Krankenkasse selbst entscheiden können muss, ob sie die integrierte Versorgungsform überhaupt einführen möchte, die auch für sie mit organisatorischen Änderungen und ggf. zusätzlichem finanziellem Aufwand verbunden ist.
Rz. 8
Die einzelne Krankenkasse kann und soll deshalb nicht zum Vertragsabschluss gezwungen werden, auch nicht durch die potentiellen Vertragspartner. Dafür spricht z.B. auch, dass der Vertrag über integrierte Versorgung nicht schiedsamtsfähig ist. Die Krankenkasse muss aber wissen, dass sie aus Wettbewerbsgründen unter Zugzwang geraten kann, wenn die anderen Krankenkassen sich vor Ort mit Ärzten, Krankenhäusern und weiteren Leistungserbringern auf die Einführung der integrierten Versorgung verständigen und die Versicherten diese Versorgungsform akzeptieren und gutheißen bzw. sich einschreiben. Dies spricht eher dafür, sich von Anfang an für ein gemeinsames Vorgehen der Krankenkassen zu entscheiden. Das GMG hatte die Frage der Gemeinsamkeit unter den Kassenarten zwar nicht gelöst, aber zumindest durch die bis 2008 geltende Anschubfinanzierung nach § 140d, die über einen Abzug an der vertragsärztlichen Gesamtvergütung (§ 85) und an den Rechnungen der zugelassenen Krankenhäuser erfolgt, das Verlangen der einzelnen Krankenkassen nach Verträgen der integrierten Versorgung nochmals deutlich gesteigert. Nach dem Bericht der gemeinsamen Registrierungsstelle (vgl. § 140d Abs. 5 a.F.) waren von 2004 bis 2008 ca. 60 % der 6407 abgeschlossenen Integrationsverträge von Krankenkassen-Gemeinschaften abgeschlossen worden, ca. 40% von einer Krankenkasse allein.
Die Krankenkassen sind auch nicht verpflichtet, mit allen sich anbietenden Leistungserbringern Verträge über integrierte Versorgung abzuschließen. Sie haben den Versorgungsbedarf ihrer eingeschriebenen Versicherten zu berüc...