0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) v. 15.12.2008 (BGBl. I S. 2426) zum 1.1.2009 eingeführt worden. Eine Vorgängervorschrift existiert nicht.
Rz. 1a
Das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts v. 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) hat mit Wirkung zum 1.1.2020 die Zuständigkeit des Bundesamtes für Soziale Sicherung in die Vorschrift übernommen.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Norm regelt die Haftung der Krankenkassen als Einzugsstellen bei verschuldeten Beitragsrückständen durch die Erhebung von Säumniszuschlägen. Damit werden der ordnungsgemäße Einzug und die Weiterleitung des Beitrags an den Gesundheitsfonds sichergestellt und Belastungen des Bundes als Liquiditätsgarant des Gesundheitsfonds vermieden (BT-Drs. 16/10609; § 271 Abs. 3). Hintergrund ist die Treuhänderstellung der Krankenkassen beim Einzug des Krankenversicherungsbeitrags gegenüber dem Gesundheitsfonds. Die Norm wird unabhängig vom entstandenen Schaden und von Verschulden angewendet.
2 Rechtspraxis
2.1 Beitragsrückstände (Abs. 1)
Rz. 3
Jede Krankenkasse hat gegenüber dem Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) eine Berichtspflicht, wenn die Beitragsrückstände erheblich ansteigen (Satz 1). Die jeweilige Krankenkasse ist durch das BVA zum Bericht aufzufordern. Im Bericht ist durch die Krankenkasse darzulegen, welche Gründe für den Anstieg ursächlich sind. Außerdem ist glaubhaft zu machen, dass der Anstieg nicht auf eine Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Das pflichtgemäße Handeln der Krankenkasse ist innerhalb einer gesetzlichen Frist von 4 Wochen glaubhaft zu machen.
Rz. 4
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Erheblichkeit ist durch das BAS auszulegen (vgl. Hinweise zum Verwaltungsverfahren zu § 271a SGB V). Die Anwendung der Vorschrift liegt nicht im Ermessen des BAS. Wenn festgestellt wird, dass die Beitragsrückstände erheblich angestiegen sind, dann muss das BAS die Krankenkasse zum Bericht auffordern.
Rz. 5
Ob eine Krankenkasse erhebliche Beitragsrückstände hat orientiert sich an ihrer Rückstandsquote. Diese wird aus dem Verhältnis des Beitragsrückstands zum Beitragssoll gebildet. Die entsprechenden Werte werden der Monatsabrechnung (Positionen 3.5 und 1.5 Spalte Gesundheitsfonds) entnommen. Die Position 1.5 umfasst die insgesamt zum Soll gestellten Beiträge der Krankenkasse (ohne Berücksichtigung des übertragenen Soll-Saldos des Vormonats, ohne erlassene und niedergeschlagene Beiträge und ohne Säumniszuschläge und Zinsen). Die Position 3.5 umfasst die Rückstandssalden, die sich hauptsächlich aus der Gegenüberstellung des Gesamt-Beitragssolls (Forderungen der Krankenkasse) mit den eingezogenen Beiträgen (Beitrags-Ist) für den Monat ergibt.
Rz. 6
Das BAS hat bei der Beurteilung erheblicher Beitragsrückstände zu berücksichtigen, ob die Rückstandsquote der Krankenkasse höher als
- im Vorjahresmonat,
- im Vorjahresdurchschnitt oder
- die der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung oder der Kassenart im Vorjahresmonat oder im Vorjahresdurchschnitt
ist. Hinzu kommt, dass die Beitragsrückstände ansteigen. Beitragsrückstände sind auch bei einem nur geringen weiteren Anstieg erheblich, wenn im Vergleich zu anderen Krankenkassen bereits überdurchschnittliche Beitragsrückstände gegeben sind (A. Becker, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 271a Rz. 15).
Rz. 7
Die berichtspflichtige Krankenkasse hat entscheidungserhebliche Tatsachen durch geeignete Unterlagen zu belegen (Satz 2). Eine eidesstattliche Versicherung (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB X) ist nicht ausreichend.
2.2 Vorläufige Säumniszuschläge (Abs. 2)
Rz. 8
Die berichtspflichtige Krankenkasse wird säumig, wenn
- entscheidungserhebliche Unterlagen nicht vorgelegt werden oder
- die Unterlagen nicht ausreichen, einen unverschuldeten Beitragsrückstand und damit pflichtgemäßes Handeln glaubhaft zu machen
(Satz 1). Die Vorschrift kehrt die Beweislast für pflichtwidriges Verhalten zulasten der Krankenkasse um.
Rz. 9
Der Beitragsrückstand ist unverschuldet, wenn Drittverschulden gegeben ist und sich die Pflichtverletzung nicht der Risikosphäre der Krankenkasse zuordnen lässt (BT-Drs. 16/10609). Die Krankenkasse muss sich das Verschulden Dritter zurechnen lassen, die in ihrem Auftrag tätig werden.
Rz. 10
Bei Säumigkeit wird ein vorläufiger Säumniszuschlag erhoben (Satz 2). Dieser beträgt für jeden angefangenen Monat nach der Aufforderung zur Berichterstattung 10 % des Betrags, der sich aus der Rückstandsquote des die Berichtspflicht auslösenden Monats abzüglich der des Vorjahresmonats oder des Vorjahresdurchschnitts der Krankenkasse multipliziert mit den insgesamt zum Soll gestellten Beiträgen der Krankenkasse des die Berichtspflicht auslösenden Monats ergibt.
Rz. 11
Die Höhe des Säumniszuschlags richtet sich nach dem Betrag, um den der Beitragsrückstand der Krankenkasse seit dem Vorjahresmonat oder gegenüber dem Vorjahresdurchschnitt angewachsen ist. Der jeweils niedrigere Wert ist bei der Berechnung zu berücksichtigen (Satz 3).
2.3 Erstattung der Säumniszuschläge (Abs. 3)
Rz. 12
Die vorläufigen Säumniszuschläge werden erstatten, wenn die Krankenkasse innerhalb einer vom...