0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit dem Gesetz zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz) v. 21.2.2017 (BGBl. I S. 265) mit Wirkung zum 1.3.2017 eingeführt worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Mit der Vorschrift wurde für das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) als zuständige Aufsichtsbehörde für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) ein neues aufsichtsrechtliches Instrumentarium zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands unterhalb der Eingriffsschwelle für die Einsetzung eines Beauftragten nach § 79a und ohne Entmachtung der Organe der KBV und der KZBV im Außenverhältnis geschaffen.
Das Instrument einer "entsandten Person für besondere Angelegenheiten bei den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen" soll es der Aufsichtsbehörde im Rahmen von Aufsichtsverfahren ermöglichen, zeitnah und flexibel auf externen Sachverstand zurückzugreifen und der entsandten Person bestimmte Aufgaben bei der KBV oder der KZBV zu übertragen. Diese besondere aufsichtsrechtliche Maßnahme trägt der Eigenverantwortung der Selbstverwaltung Rechnung, da sie die Verantwortung zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes in ihren Händen belässt und die Aufsichtsbehörde lediglich zur Sicherung der erforderlichen Maßnahmen einen besonderen Experten entsenden kann.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Voraussetzung für die Anwendung des neuen Instrumentariums bzw. die Entsendung einer solchen Person ist die Gefährdung der ordnungsgemäßen Verwaltung der KBV oder der KZBV. In Abs. 1 Satz 2 sind beispielhafte Fälle aufgeführt, in denen eine solche Gefährdung angenommen werden kann.
Danach ist die ordnungsgemäße Verwaltung der KBV oder der KZBV insbesondere gefährdet, wenn
- ein Mitglied des Vorstandes interne oder externe Maßnahmen ergreift, die nicht im Einklang mit den eigenen Verwaltungsvorschriften oder satzungsrechtlichen oder gesetzlichen Vorschriften stehen,
- ein Mitglied des Vorstandes Handlungen vornimmt, die die interne Organisation der Verwaltung oder auch die Zusammenarbeit der Organe untereinander erheblich beeinträchtigen,
- die Umsetzung von Aufsichtsverfügungen nicht gewährleistet ist oder
- hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Pflichtverletzung eines Organmitglieds oder eines ehemaligen Organmitglieds einen Schaden der Körperschaft verursacht hat.
Das Wort "insbesondere" in Abs. 1 Satz 2 macht deutlich, dass es sich um Beispielfälle handelt, sodass weitere Fälle ggf. hinzukommen können, sofern damit eine Gefährdung der Verwaltung droht oder unmittelbar darauf zurückzuführen ist.
Gerade am Beispiel in Nr. 4 ist nach der Gesetzesbegründung die Unterstützung und Begleitung durch eine externe Person notwendig und sachgerecht, um zu verhindern, dass interne Loyalitätskonflikte mit amtierenden oder ehemaligen Organmitgliedern der KBV oder der KZBV zulasten einer neutralen Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gehen und damit unter Umständen weitere Schäden für die Körperschaft verursacht werden. Die Unterstützung dient auch dazu, die Körperschaft durch die Einbindung einer externen Person vor weiteren Schäden oder Organstreitigkeiten zu schützen, die zulasten der Arbeitsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der KBV oder der KZBV gehen würden.
Rz. 4
Im Gegensatz zu § 79a handelt es sich hier um Fallkonstellationen, in denen als Aufsichtsmaßnahme zunächst eine externe Unterstützung durch eine neutrale Person ausreichend erscheint und eine Entbindung des Vorstandes von seinen Rechten und Pflichten im Außenverhältnis nicht erforderlich ist. Die Vorschrift ist gegenüber der Regelung in § 79a sowie den allgemeinen Aufsichtsmitteln nach den §§ 88 und 89 SGB IV ein Aufsichtsmittel eigener Art und ergänzt daher das bestehende Aufsichtsrecht. Die Aufsichtsbehörde kann im Übrigen je nach Einschätzung des konkreten Sachverhaltes von allen ihr zur Verfügung stehenden Aufsichtsmitteln das angemessene und effektivste Aufsichtsmittel wählen.
Nach Abs. 1 Satz 3 kann daher das BMG als Aufsichtsbehörde die Person bei Gefährdung der ordnungsgemäßen Verwaltung der KBV oder KZBV zur Beratung und Unterstützung des Vorstandes oder der Vertreterversammlung, zur Überwachung der Umsetzung von Aufsichtsverfügungen oder zur Prüfung von Schadenersatzansprüchen gegenüber Organmitgliedern oder ehemaligen Organmitgliedern entsenden.
Die Aufsichtsbehörde legt nach Abs. 1 Satz 4 und Satz 6 den Inhalt des Auftrages und die konkreten Befugnisse der entsandten Person durch Verwaltungsakt gegenüber der betroffenen Körperschaft fest. Die entsandte Person ist nach Abs. 2 im Rahmen ihrer Aufgaben berechtigt, von den Mitgliedern der Organe und von den Beschäftigten der KBV oder der KZBV Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen zu verlangen. Sie kann an allen Sitzungen der Organe und sonstigen Gremien der KBV bzw. der KZBV in beratender Funktion teilnehmen, die Geschäftsräume der jeweiligen Bundesvereinigung betreten und Nachforschungen zur ...