Ärzte im Notdienst

Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben sich auf Voraussetzungen verständigt, unter denen der vertragsärztliche Notdienst im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden kann.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 24.10.2023 (B 12 R 9/21 R, USK 2023-29) entschieden, dass ein Zahnarzt, der als sog. Poolarzt im vertragszahnärztlichen Notdienst in die durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung vorgehaltenen Abläufe eingegliedert ist und sich bei seinem Bereitschaftsdienst in die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung vorgegebene Organisation einfügt, als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter und nicht als Selbstständiger tätig ist.

BSG: Urteil hat keine allgemeine Gültigkeit für alle Notdienstformen

Damit hat das BSG seine bisherige Rechtsprechung zur sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung fortgesetzt und dabei – wie bei den Urteilen zu den Honorarärzten aus dem Jahre 2019 – dem Kriterium der Eingliederung in die vorgegebene Organisation entscheidungsrelevante Bedeutung beigemessen. Der erkennende Senat hat aber auch deutlich gemacht, dass mit der vorliegenden Entscheidung keine allgemeinverbindliche, für alle denkbaren Formen des vertrags(zahn)ärztlichen Notdienstes gleichermaßen geltende Feststellung getroffen ist.

Unterschiedliche Statusbeurteilung für Ärzte im Notdienst

Die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zur statusrechtlichen Beurteilung von Ärzten im vertrags(zahn)ärztlichen Notdienst werden im Rahmen von Entscheidungen der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) sowie von den Rentenversicherungsträgern bei Betriebsprüfungen an- und umgesetzt. Sie führen bei vergleichbarer Ausgangslage mithin dazu, dass die in Rede stehenden Personen als abhängig Beschäftigte beurteilt werden. Dieses Ergebnis steht der von den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen überwiegend gelebten Praxis der Einordnung als selbstständige Tätigkeit entgegen.

KBV warnt vor Mangel an Poolärzten bei fehlender Selbstständigkeit

Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) und Ärzteverbände haben daraufhin ihre Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass zukünftig nicht mehr genug Poolärzte zur freiwilligen Übernahme von vertragsärztlichen Notdiensten bereit sein werden, wenn sie dort nicht selbstständig tätig sein könnten. Dies würde die Aufrechterhaltung des vertragsärztlichen Notdienstes in seinem bisherigen Umgang gefährden.

BMAS und BMG starten Dialogprozess zur Zukunft der Poolärzte

Daraufhin hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der KBV, den KVen und einigen Ärzteverbänden einen Dialogprozess gestartet, um das Thema umfassend zu beleuchten, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und mögliche Handlungsoptionen zu diskutieren.

Drei Bedingungen für selbstständigen vertragsärztlichen Notdienst definiert

Als Ergebnis dieses Dialogprozesses sind drei Voraussetzungen für die zukünftige Ausgestaltung herausgearbeitet worden, unter denen der vertragsärztliche Notdienst im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden kann.

  1. Die Ärzte rechnen – wie bei der Behandlung der Versicherten in einer eigenen Praxis – die von ihnen konkret erbrachten Leistungen nach der Gebührenordnung mit eigener Abrechnungsnummer selbst ab und werden entsprechend ihrer tatsächlich erbrachten Leistungen vergütet.
  2. Die Ärzte zahlen für die Nutzung der von den Kassenärztlichen Vereinigungen für den vertragsärztlichen Notdienst gestellten Räumlichkeiten sowie für die personellen und sachlichen Betriebsmittel ein im Verhältnis zu den tatsächlichen Betriebs-, Personal- und Materialkosten angemessenes (nicht notwendig kostendeckendes, aber auch nicht nur symbolisches) und nicht umsatzbezogenes Nutzungsentgelt. Das Nutzungsentgelt ist auch dann zu zahlen, wenn keine oder nur wenige Versicherte behandelt wurden.
  3. Die Ärzte müssen den vertragsärztlichen Notdienst nicht höchstpersönlich erbringen, sondern können sich durch eine selbst gewählte und entsprechend qualifizierte Person vertreten lassen.

Mindestqualifikation für Vertretungsärzte zur Sicherstellung der Patientensicherheit

Zum Zwecke der Patientensicherheit und zur Qualitätssicherung sind die Kassenärztlichen Vereinigungen berechtigt, einen Mindeststandard an die Qualifikation einer solchen Vertretungskraft festzulegen. Der im Auftrag des Arztes tätige Vertretungsarzt kann dabei auch von der Kassenärztlichen Vereinigungen oder sonstigen Dritten vermittelt werden.

Selbstständigkeit von Ärzten im Notdienst bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen

Wenn diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, dann ist im vertragsärztlichen Notdienst sowohl bei Vertragsärzten als auch bei Poolärzten von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Daran würde auch die Gewährung einer Sicherstellungspauschale nichts ändern, wenn diese für die Bereitschaft zur Teilnahme an der Erfüllung des den KVen obliegenden Sicherstellungsauftrages nach § 75 Abs. 1b SGB V gewährt wird. Diese müsste im Voraus für einen bestimmten Zeitraum, für den der Arzt sich zur Teilnahme am Sicherstellungsauftrag der KVen verpflichtet, und unabhängig von der Vergütung der konkret geleisteten Dienste, gezahlt werden.

Sozialversicherungsträger einig über Beurteilungsmaßstäbe für Notdienstärzte

Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben diese Beurteilungsmaßstäbe auf Initiative der DRV Bund mittlerweile erörtert. Sie sind gemeinsam der Auffassung, dass sie – auch und insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich mit dieser Herangehensweise weitergehende Diskussionen hinsichtlich systempolitisch bedenklicher und daher aus unserer Sicht abzulehnender weiterer Sonderregelungen, wie sie bereits für Notärzte im Rettungsdienst in § 23c Abs. 2 SGB IV vorgehalten werden, vermeiden lassen, tragfähig sind und insofern bei der versicherungsrechtlichen Statusbeurteilung von Ärzten im vertragsärztlichen Notdienst künftig und für vergangene Zeiträume herangezogen werden können.

GKV-Spitzenverband

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