Bundeskabinett beschließt Gesetz zur Reform der Notfallversorgung
Patientinnen und Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass Sie im Notfall schnell und gut versorgt werden. Dafür entlasten wir die notorisch überfüllten Notaufnahmen und sorgen für eine funktionierende Patientensteuerung. Wer ambulant behandelt werden kann und wem vielleicht sogar telefonische oder videogestützte Beratung genügt, der muss nicht ins Krankenhaus. Ein Praxistermin kann stattdessen direkt vermittelt werden. Für immobile Patientinnen und Patienten wird rund um die Uhr ein Fahrdienst zur Verfügung stehen. Praxen werden direkt mit den Notfallzentren kooperieren. Akutversorgung soll in Zukunft dort stattfindet, wo sie medizinisch auch sinnvoll ist.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach
Die Reform der Notfallversorgung im Einzelnen
24/7 Vermittlung über „Akutleitstellen“
- Akute Fälle werden künftig nicht mehr von den Terminservicestellen vermittelt, sondern ebenfalls unter der Rufnummer 116117 von sog. „Akutleitstellen“.
- Die Akutleitstellen beurteilen die Behandlungsdringlichkeit der Beschwerden anhand eines standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens und vermitteln Hilfesuchende in die passende Behandlung. Während der Sprechstundenzeiten werden Hilfesuchende vorranging in die vertragsärztlichen Praxen gesteuert.
- Die Rufnummern 112 und 116117 arbeiten auf Initiative der Rettungsleitstellen (Notrufnummer 112) künftig verbindlich zusammen und müssen sich digital vernetzen, sodass Patientendaten medienbruchfrei übermittelt werden können.
- Zudem stehen unter der Rufnummer 116117 für Akutfälle flächendeckend rund um die Uhr telemedizinische und aufsuchende Notdienste zur medizinischen Erstversorgung zur Verfügung: Anrufende in den Akutleitstellen können nach einer standardisierten Ersteinschätzung durch Ärztinnen und Ärzte (auch durch Fachärztinnen und -ärzte für Kinder- und Jugendmedizin) telefonisch oder per Videosprechstunde behandelt werden. Soweit möglich, soll dies fallabschließend erfolgen. Ein durchgängig bereitzustellender aufsuchender Dienst soll insbesondere die Versorgung immobiler Patientinnen und Patienten gewährleisten und auf die besonderen Belange von pflegebedürftigen Menschen eingehen. Dafür wird der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) konkretisiert.
Integrierte Notfallzentren als zentrale Anlaufstellen
- Als neue Struktur für Notfälle werden Integrierte Notfallzentren (INZ) flächendeckend etabliert. Sie gewährleisten fortan rund um die Uhr eine zentrale Anlaufstelle für die medizinische Erstversorgung.
- Sie bestehen im oder an einem Krankenhausstandort und vereinigen die Notaufnahme des Krankenhauses, eine Notdienstpraxis der KVen und eine zentrale Einschätzungsstelle, die digital miteinander vernetzt sind. Krankenhäuser und KVen arbeiten dort verbindlich zusammen.
- Notdienstpraxen in INZ müssen gesetzlich festgelegte Mindestöffnungszeiten einhalten (vor allem abends und am Wochenende). Zusätzlich sollen zu den vertragsärztlichen Sprechstundenzeiten – wenn die Notdienstpraxis nicht geöffnet hat – in der Nähe liegende niedergelassene Praxen angebunden werden, die als „Kooperationspraxen“ Patientinnen und Patienten ambulant behandeln.
- Sollten weder Notdienstpraxis noch Kooperationspraxis geöffnet haben (insbesondere nachts), erfolgt die Akut- und Notfallversorgung durch die Notaufnahme des Krankenhauses.
- Die gemeinsame Ersteinschätzungsstelle steuert Hilfesuchende auf Basis eines standardisierten Verfahrens in die passende Versorgung (Notdienstpraxis oder Notaufnahme des Krankenhauses).
- Zur Akutversorgung von Kindern und Jugendlichen können spezielle Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) eingerichtet werden. INZ müssen zudem zumindest eine telemedizinische Unterstützung durch Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin gewährleisten.
- Die Standorte für INZ bestimmen die Selbstverwaltungspartner aufgrund konkreter gesetzlicher Vorgaben im sog. „erweiterten Landesausschuss“; die Länder führen die Aufsicht über das Gremium und entscheiden, sollten die Selbstverwaltungspartner die Standorte nicht einigen können.
- Es ist eine verbindliche paritätische Finanzierung der Strukturen des Notdienstes zwischen KVen und gesetzlichen Krankenkassen (GKV) vorgesehen. Die privaten Krankenversicherungs-unternehmen müssen sich in Höhe von sieben Prozent des von der GKV bereitgestellten Betrags beteiligen. Über die Höhe des Fördervolumens ist Einvernehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. herzustellen.
Notfallmedikamente aus der Apotheke
- Die Versorgung von Patientinnen und Patienten von Notdienstpraxen mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten wird durch die Einführung von Versorgungsverträgen mit öffentlichen Apotheken verbessert.
Rettungsdienstreform
In einem zweiten Schritt erarbeitet das Bundesministerium für Gesundheit aktuell die Inhalte für eine Reform des Rettungsdienstes. Diese sollen im parlamentarischen Verfahren Teil der Notfallreform werden:
- Wesentlicher Baustein für eine Reform des Rettungsdienstes ist die Aufnahme des Rettungsdienstes als eigenständiger Leistungsbereich in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch.
- Außerdem soll der Rettungsdienst mit den anderen Akteuren der Notfall- und Akutversorgung unter Nutzung der Telematikinfrastruktur digital vernetzt werden.
- Ein weiteres Ziel sind bundesweit gleichwertige Mindeststandards im Rettungsdienst. Hierfür sollen Prozesse etabliert werden, welche die Entwicklung von bundesweit einheitlichen Rahmenvorgaben für die Leistungserbringung der Rettungsdienste unter Einbeziehung aller Akteure und der Länder sicherstellen.
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