Rz. 74
Zunächst wird bei der Berechnung des Mutterschaftsgeldes und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld ein Bemessungszeitraum zugrunde gelegt, der vergangenheitsorientiert ist. Das für die Berechnung des Mutterschaftsgeldes (und des Arbeitgeberzuschusses) heranzuziehende Nettoarbeitsentgelt ist allerdings zu korrigieren, wenn sich das Nettoarbeitsentgelt nicht nur vorübergehend ändert. Die Anpassung erfolgt ab dem Zeitpunkt, von dem an das erhöhte/verminderte Nettoarbeitsentgelt zu zahlen gewesen wäre (§ 21 Abs. 4 MuSchG; vgl. auch BAG, Urteile v. 6.4.1994, 5 AZR 501/93, und v. 31.7.1996, 5 AZR 9/95). Ziel des Gesetzgebers ist es, die Bezieher von Mutterschaftsgeld bezüglich der Höhe der Leistung so zu stellen, als wenn sie durchgängig arbeiten würden; Faktoren, die den Verdienst unabhängig von der Schutzfrist beeinflusst hätten, fließen deshalb in die Berechnung des Mutterschaftsgeldes und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld ein (Gegenwartsprinzip; § 24i Abs. 2 Satz 3 SGB V i. V. m. § 21 Abs. 4 MuSchG). Das bedeutet: Änderungen des Nettoarbeitsentgelts
- während des Bemessungszeitraums (auch zum Ende des Bemessungszeitraums) sind für den gesamten Berechnungszeitraum zu berücksichtigen – fiktiv also so, als wenn schon für den gesamten Bemessungszeitraum das veränderte Arbeitsentgelt/Nettoarbeitsentgelt gezahlt worden wäre (§ 24 Abs. 2 Satz 3 SGB V i. V. m. § 21 Abs. 4 Nr. 1 MuSchG),
- nach dem Bemessungszeitraum sind ab ihrem Wirksamwerden sofort auch bei der Höhe des Mutterschaftsgeldes und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld umzusetzen (§ 24i Abs. 2 Satz 3 SGB V i. V. m. § 21 Abs. 4 Nr. 2 MuSchG).
Rz. 75
Zu berücksichtigen sind z. B. Änderungen des Nettoarbeitsentgelts nicht nur vorübergehender Natur wegen
- der Erhöhung der Grundvergütung (z. B. durch allgemeine Lohn-/Gehaltsanpassungen, Höhergruppierungen, Altersstufensteigerungen, Beendigung einer Teilzeit- und Rückkehr in eine Vollzeitbeschäftigung),
- einer höherwertigen Tätigkeit,
- Erhöhung der Arbeitszeit,
- der Erhöhung des Nettoarbeitsentgelts wegen des Wechsels von einem Ausbildungs- in ein Gesellen- oder Angestelltenverhältnis (Abschn. 9.2.2.3 des GR v. 06.12.2017-II i. d. F. v. 23.03.2022),
- der Änderung der Steuerklasse zugunsten der Arbeitnehmerin; Einzelheiten vgl. aber Rz. 78.
Genauso, wie nicht nur vorübergehende Erhöhungen der Arbeitsentgeltbestandteile den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld erhöhen, wirken sich im Umkehrschluss dauerhafte Verdienstkürzungen, die während oder nach Ablauf des Berechnungszeitraumes eintreten und nicht auf einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot beruhen, ab dem Zeitpunkt der Änderung im vollen Umfang mutterschaftsgeld- bzw. zuschussmindernd aus (vgl. § 21 Abs. 4 MuSchG). Dauerhafte Verdienstkürzungen kommen z. B. in Betracht aufgrund
- einer Verminderung des Ortszuschlages (z. B. ein anderes Kind der Arbeitnehmerin ist nicht mehr familienzuschlagsberechtigt),
- einer Änderung der Steuerklasse, die zu einer Minderung des Nettoarbeitsentgeltes der Frau führt (z. B. Wechsel von Steuerklasse 3 auf Steuerklasse 5),
- der Wegfall bestimmter Zulagen oder Zuschläge aufgrund von organisatorischen Änderungen für alle Arbeitnehmer in einer Organisationseinheit,
- das Wirksamwerden einer arbeitsvertraglichen Verringerung der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit, die sich auf die Höhe des Arbeitsentgelts auswirkt (z. B. wegen eines Wechsels von Vollzeit in Teilzeit) oder
- einer vertragsgemäß geringerwertigeren Tätigkeit mit Minderung des Arbeitsentgelts
(vgl. auch BAG, Urteil v. 11.6.1986, 5 AZR 365/85).
Rz. 76
Diese nicht nur vorübergehenden Änderungen des Nettoarbeitsentgelts sind vom Arbeitgeber zu verfolgen und bei dem von ihm zu zahlenden Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ab dem Zeitpunkt der rechtlichen Wirkung umzusetzen. Die Arbeitnehmerin ist also während der Schutzfristen genauso zu stellen, als wenn sie arbeiten würde; allerdings ist das tägliche Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 EUR vom Mutterschaftsgeldzuschuss abzuziehen.
Übersteigt das tägliche Nettoarbeitsentgelt das Höchst-Mutterschaftsgeld von 13,00 EUR nicht, muss die Krankenkasse von der Versicherten auf die Veränderungen hingewiesen werden (formloser Antrag auf Veränderung der Leistung i. S.d § 19 Satz 1 SGB IV bzw. Mitwirkungspflichten i. S. d. § 60 Abs. 1 SGB I). Die Krankenkasse ist nämlich nicht in der Lage, Veränderungen des arbeitsrechtlichen Nettoarbeitsentgelts während des Mutterschaftsgeldbezugszeitraums eigenständig zu verfolgen.
Rz. 77
Sofern im Unternehmen der werdenden bzw. jungen Mutter nach dem Berechnungszeitraum bzw. während des Bezuges von Mutterschaftsgeld Kurzarbeit eingeführt wird, gilt dies nicht als dauerhafte Änderung der Arbeitsentgelthöhe. Der Grund: Arbeitsentgeltkürzungen wegen Kurzarbeit dürfen sich nicht negativ für die werdende bzw. junge Mutter auswirken (vgl. § 24i Abs. 2 Satz 3 SGB V i. V. m. § 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG).
Rz. 78
Änderungen der Eintragungen in der Steuerkarte – z. B. wegen der Änderung des steuerrechtlichen Freibet...