Rz. 2
Die Möglichkeit des ambulanten Operierens war nach früherem Recht ausschließlich niedergelassenen Vertragsärzten vorbehalten. Die Krankenhäuser durften keine ambulanten Operationen ausführen, weil diese rechtlich als der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugehörig angesehen wurden und damit unter das Behandlungsmonopol der niedergelassenen Vertragsärzte fielen. Jedem Sachkenner war klar, dass diese strenge Trennung eine bedeutende Ursache für Unwirtschaftlichkeit war. Die Krankenhäuser wichen nämlich auf die teure vollstationäre Krankenhausbehandlung aus, obwohl diese wegen des medizinischen Fortschritts im operativen Bereich häufig nicht erforderlich war.
Die mit Wirkung zum 1.1.1993 eingeführte Vorschrift ist darauf angelegt, für ambulantes Operieren in einem nach § 108 zugelassenen Krankenhaus gegenüber der ambulanten Operation in einer Vertragsarztpraxis Chancen- und Wettbewerbsgleichheit durch gleiche Bedingungen herzustellen. Sie gibt den gesetzlichen Rahmen vor, der vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) durch einen dreiseitigen Vertrag im Vereinbarungsweg oder ggf. durch Festsetzung des strittigen Vertragsinhalts durch das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene nach § 89a (ursprünglich erweiterte Bundesschiedsamt) auszufüllen ist. Dies ist entsprechend der in Abs. 1 vorgegebenen Rechtssystematik durch
- den "Vertrag nach § 115b Abs. 1 SGB V – Ambulantes Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus – (AOP-Vertrag)",
- die einheitliche Vergütung für Krankenhäuser und Vertragsärzte,
- den als Anlage 1 zum AOP-Vertrag vereinbarten "Katalog ambulant durchführbarer Operationen und statitionsersetzende Eingriffe gem. § 115b SGB V im Krankenhaus",
- die in Anlage 2 zum AOP-Vertrag aufgeführten "Allgemeinen Tatbestände", bei deren Vorliegen eine stationäre Durchführung erforderlich sein kann, sowie zunächst noch bis zur Änderung der Norm durch das GKV-WSG (vgl. Rz. 1b) und
- die separate Qualitätssicherungsvereinbarung nach § 115b Abs. 1 Satz 3 i.d.F des GKV-NOG (vgl. Rz. 1)
in den jeweils geltenden Fassungen geschehen, welche für alle Beteiligten sowohl auf der Bundesebene als auch auf der regionalen Ebene verbindlich sind.
Der mit Wirkung zum 1.4.1993 erstmals geschlossene AOP-Vertrag war auf dem Vereinbarungsweg zustande gekommen, zum 31.12.2003 gekündigt und durch den bis 31.3.2005 geltenden AOP-Vertrag ersetzt worden. Da sich die Vertragspartner nicht auf eine Folgevereinbarung einigen konnten, hatte das erweiterte Bundesschiedsamt (vgl. Abs. 3) am 18.3.2005 den am 1.4.2005 in Kraft getretenen AOP-Vertrag 2005 festgesetzt, der wiederum zum 30.6.2006 gekündigt worden war. Da es weiterhin zu keiner Einigung der Vertragspartner über den AOP-Vertrag gekommen war, hatte das erweiterte Bundesschiedsamt durch Beschluss v. 15.9.2006
- einen neu gefassten Grundvertrag,
- den Katalog ambulant durchzuführender Operationen und stationsersetzender Eingriffe sowie die
- Qualitätssicherungsvereinbarung
festgesetzt und die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung angeordnet, um einen vertragslosen Zustand wegen der Kündigung des bisherigen Vertrages und wegen einer möglichen Anfechtung der Schiedsamtsentscheidung zu vermeiden.
Das erweiterte Bundesschiedsamt hatte u. a. in § 7 Abs. 1 des AOP-Vertrages bestimmt, dass die im Katalog aufgeführten ambulant durchführbaren Operationen und stationsersetzenden Eingriffe auf der Grundlage des EBM und seiner Abrechnungsbestimmungen nach einem festen Punktwert außerhalb der budgetierten und pauschalierten Gesamtvergütungen vergütet werden. Den Punktwert sollten dabei die Gesamtvertragspartner festlegen, wobei bei dieser Festlegung neben der Morbiditätsentwicklung die Anzahl der stationären und ambulanten Operationen im jeweiligen Bereich zu berücksichtigen wären; außerdem sollten die Gesamtvertragspartner die Bereinigung der Gesamtvergütungen auf der Basis des Jahres 2005 bestimmen.
Gegen die Festsetzung des AOP-Vertrages hatten die damals zuständigen Spitzenverbände der Krankenkassen Klage beim SG Berlin (S 79 KA 977/06) erhoben und gleichzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt. Das SG Berlin hat mit rechtskräftigem Urteil v. 19.1.2011 die Rechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 1 des AOP-Vertrages bestätigt, weil das Bundesschiedsamt bei seiner Festsetzung den § 85 Abs. 2 Satz 7 a. F. nicht hinreichend berücksichtigt hatte.