Rz. 3
Die Lieferberechtigung aufgrund des Vertrages nach § 127 erstreckt sich auf den Leistungserbringer, der Hilfsmittel an die Versicherten abgeben will, nicht aber auf einen Hersteller, Lieferanten, Großhändler, deren Hilfsmittel z. B. durch Gesundheitshandwerker (wie Augenoptiker, Hörgeräteakustiker, Orthopädietechniker u. a.) an Versicherte abgegeben werden.
Natürlich kommt es vor, dass der Leistungserbringer selbst das Hilfsmittel herstellt, die Anpassung vornimmt und das Hilfsmittel an den Versicherten abgibt (z. B. Orthopädieschuhmacher); für die Frage der Notwendigkeit einer betriebsbezogenen Lieferberechtigung ist deshalb ausschlaggebend, ob der Patient das Hilfsmittel unmittelbar durch den Leistungserbringer erhält.
Rz. 4
Als Voraussetzungen für den Abschluss eines Liefervertrages nach § 127 bestimmt Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift die Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und funktionsgerechten Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel, was in der Person des Leistungserbringers von Hilfsmitteln erfüllt sein muss. "Funktionsgerecht" bezieht sich auf den einzelnen Versorgungsfall, d. h., dass der zu versorgende Versicherte mit dem Hilfsmittel zurechtkommen muss. Ergibt sich z. B. bei der Anpassung/Abgabe des Hilfsmittels, dass das vom Vertragsarzt vorgegebene Versorgungsziel nicht erreicht werden kann oder dass der Versicherte in vorab nicht einschätzbarer Weise auf das Hilfsmittel reagiert, hat der Lieferant nach der auch für ihn verbindlichen Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses die Versorgung zu unterbrechen und den Vertragsarzt darüber unverzüglich zu informieren. Der Vertragsarzt prüft dann, ob eine Änderung oder Ergänzung seiner Hilfsmittelverordnung notwendig ist. Der Lieferant ist dagegen nicht berechtigt, von sich aus die Verordnung zu ändern und ein anderes Hilfsmittel als das verordnete zu liefern, auch dann nicht, wenn dieses Hilfsmittel für den Versicherten funktionsgerecht wäre. Damit entscheidet der verordnende Arzt über das im Einzelfall ausreichende und zweckmäßige Hilfsmittel, während dem Leistungserbringer die fachliche Ausführung der Hilfsmittelversorgung obliegt.
Rz. 5
Das mit den allgemeinen Rechtsbegriffen, ausreichend, zweckmäßig und funktionsgerecht, angestrebte Ziel ist die fachgerechte, qualitativ einwandfreie Versorgung mit Hilfsmitteln zu angemessenen Preisen. Die krankenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Lieferberechtigung nach Abs. 1 Satz 2 stehen neben den Zulassungsregelungen nach dem Gewerbe- oder Handwerksrecht, ohne dass dadurch höhere berufsrechtliche Anforderungen an den für die Krankenversicherung lieferberechtigten Leistungserbringer gestellt werden können als an einen nicht lieferberechtigten Hilfsmittelerbringer. Deshalb ist, wie das BSG in dem auch auf die geltende Vorschrift übertragbaren Urteil v. 29.11.1995 (3 RK 25/94) ausgeführt hat, Abs. 1 so auszulegen, dass die Voraussetzungen für die Lieferberechtigung in der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit sie zugleich Voraussetzung für die allgemeine Berufsausübung sind, vorrangig von den nach Berufsrecht zuständigen Behörden zu beurteilen sind. Die Vertragspartner auf Krankenkassenseite sind also an die Entscheidung der nach Berufsrecht zuständigen Behörden gebunden, wenn es im Einzelfall um Fragen der Erfüllung oder des Fehlens der berufsrechtlichen Voraussetzungen geht. Damit bleibt eine unterschiedliche Spruchpraxis zum Berufsrecht der Leistungserbringer von Hilfsmitteln ausgeschlossen.
2.2.1 Empfehlungen zu den Voraussetzungen einer Lieferberechtigung (Abs. 1 Satz 3)
Rz. 6
Die Empfehlungen sind Teil der dem GKV-Spitzenverband zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben (vgl. § 217f). Sie dienen nach Abs. 1 Satz 3 dazu, die Anforderungen der Krankenkassen an die Leistungserbringer von Hilfsmitteln zentral vorzugeben und damit eine bundeseinheitliche Anwendung der Anforderungen an die Leistungserbringer durch die Krankenkassen zu gewährleisten. Der GKV-Spitzenverband hat die "Empfehlungen gemäß § 126 Abs. 1 Satz 3 SGB V für eine einheitliche Anwendung der Anforderungen zur ausreichenden, zweckmäßigen und funktionsgerechten Herstellung, Abgabe und Anpassung von Hilfsmitteln" mit Wirkung zum 14.8.2018 überarbeitet; sie gelten mit Wirkung zum 1.12.2018.
Empfehlungen stellen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sog. Verwaltungsbinnenrecht dar, welches nach § 217e Abs. 2 zwar die Landesverbände der Krankenkassen und die Krankenkassen (einschließlich Ersatzkassen) bei einem Vertragsabschluss mit einem Leistungserbringer bindet, nicht aber unmittelbar den Leistungserbringer oder die Gerichte. Die Bindungswirkung für den Leistungserbringer tritt erst dadurch ein, dass die Empfehlungen in den Vertrag nach § 127 integriert werden und der Leistungserbringer den Vertrag unterschreibt. Ein Mitwirkungsrecht der Spitzenorganisationen der Leistungserbringer (Innungen oder Berufsverbände) sieht das Gesetz nicht vor, weil den Empfehlungen aus verfassungsmäßigen Gründen nicht die Rechtsqualität einer Ermächtigung zur Normsetzung zukommt (so BSG, Urteil v.29.11.1995,...