Rz. 8
In Abs. 2 sind beispielhaft (vgl. "insbesondere") Anforderungen an die inhaltliche Gestaltung der Behandlungsprogramme genannt, die der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie zu berücksichtigen hat. Abs. 2 Nr. 1 regelt auch, wie zu verfahren ist, wenn zu einem Krankheitsbild keine evidenzbasierten Leitlinien vorliegen. Dann sollen alternativ (vgl. "oder") die Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung nach der jeweils besten, verfügbaren Evidenz sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Versorgungssektors benannt werden. Evidenzbasierte Leitlinien, die z. B. ausschließlich Ziele der Leistungserbringer nach mehr Geld verfolgen, aber nicht die Versorgungsqualität verbessern, könnten daher von vornherein nicht empfohlen werden. Zur Ausgestaltung von DMP zählt auch, wie Qualitätssicherungsmaßnahmen und -prüfungen durchgeführt werden, weil davon der nachweisbare Erfolg abhängt. Auf die Ergebnisse, welche das zu gründende Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung und zur Darstellung der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen nach § 137a Abs. 3 erarbeitet, wird dabei zurückgegriffen, sodass der Gemeinsame Bundesausschuss diese Ergebnisse zu berücksichtigen hat. Berücksichtigen bedeutet aber nicht, dass die Ergebnisse vollständig übernommen werden müssen, sondern der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet auf der Grundlage der Ergebnisse des Instituts, wie die Anforderungen an die Ausgestaltung der Behandlungsprogramme geregelt sein sollen. Die in der Richtlinie zu stellenden Anforderungen an DMP beziehen sich auch auf das Einschreibeverfahren der Versicherten, insbesondere auf die Teilnahmevoraussetzung (z. B. Einholung einer Zweitmeinung vor der Einschreibung, Aufklärung über DMP), das formale Einschreibeverfahren und die Teilnahmedauer. Diese Anforderungen sind auch vor dem Hintergrund der Anbindung des DMP an den RSA zu sehen, weil z. B. unklare Indikationen oder inaktive Patienten nicht dazu führen sollen, dass solche Kosten über den RSA ausgeglichen werden. Außerdem gehören zu den Anforderungen die Schulungen der Leistungserbringer und der teilnehmenden Patienten. Leistungserbringer müssen den Programminhalt, insbesondere aber die evidenzbasierte Leitlinie kennen, die im DMP gilt. Patientenschulungen verfolgen das Ziel, die DMP-Patienten eng in die Behandlung einzubeziehen und sie zur Eigeninitiative anzuleiten, weil nur so der angestrebte Erfolg erreicht werden kann. Das BVA prüft weiterhin im Rahmen der Zulassung nach § 137g, ob die im DMP-Vertrag vereinbarten Schulungen den in der Richtlinie gestellten Anforderungen entsprechen. Die Anforderungen beziehen sich auch auf Inhalt und Art und Weise der Dokumentation, auf die erforderlichen personenbezogenen Daten und deren Aufbewahrungsfristen. Die bundeseinheitlichen Dokumentationen sind einerseits Basis für ein Benchmarking der Leistungserbringer untereinander, andererseits zur wiederholten Bewertung der Wirkungen (Evaluation) und der Kosten der Disease-Management-Programme notwendig. Das Bewertungsergebnis wird im Übrigen der Entscheidung über die Zulassung eines DMP nach § 137g zugrunde gelegt.
Rz. 9
Der Gesetzgeber legt in Abs. 2 großen Wert auf eine medizinisch breit abgestimmte Entscheidungsbasis für die Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme, weil das die Akzeptanz von DMP und ihre Umsetzung in die Praxis erheblich fördert. So ist in Abs. 2 Satz 3 zunächst klargestellt, dass die auf die ärztliche Therapie bezogenen Anforderungen den im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Beurteilungs- und Behandlungsspielraum nicht einschränken. Was zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrages im Einzelfall ausreichend, zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich ist, muss erbracht werden, auch wenn dies einer DMP-Anforderung ganz oder teilweise zuwiderläuft.
Zur breit abgestimmten medizinischen Entscheidungsbasis gehört dann, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen seinen Medizinischen Dienst (MDS nach § 282) an der Entwicklung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme zu beteiligen hat, damit dessen Erkenntnisse in die Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses mit einfließen können (vgl. Satz 4). Außerdem hat der Gemeinsame Bundesausschuss nach Satz 5 HS 1 den für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, der Selbsthilfe und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der sonstigen Leistungserbringer, soweit sie tangiert sind, Gelegenheit zur Stellungnahme zu den vorgesehenen Anforderungen an das strukturierte Behandlungsprogramm zu geben. Auch dem BVA, welches nach § 137g über die Zulassung des Behandlungsprogramms für die antragstellende Krankenkasse entscheidet, sowie den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Nach Satz 5 HS 2 sind die Stellungnahmen in die Entscheidungen mit einzubeziehen. ...