2.1 Rechtsverordnung nach Abs. 1
2.1.1 Voraussetzungen für die Rechtsverordnung
2.1.1.1 Antrag
Rz. 6
Von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung kann die Landesregierung nur auf Antrag Gebrauch machen. Der Antrag ist von der "notleidenden" Ortskrankenkasse oder vom Landesverband der Ortskrankenkassen zu stellen, dem die "notleidende" Ortskrankenkasse angehört. Der Antrag ist Tatbestandsvoraussetzung für den Erlass der Rechtsverordnung über die Zwangsvereinigung, so dass die Rücknahme des Antrages den Erlass der Rechtsverordnung ausschließt. Allerdings muss die Rücknahme des Antrages vor deren Erlass erfolgen.
Rz. 7
§ 145 Abs. 1 überlässt somit die Initiative zum Erlass der Rechtsverordnung mit dem Antragserfordernis der Ortskrankenkasse bzw. deren Landesverband. Hintergrund dafür dürfte die Überlegung sein, dass ein solcher Antrag erst und nur dann gestellt wird, wenn freiwillige Vereinigungsversuche gemäß § 144 am Widerstand wirtschaftlich leistungsfähigerer Ortskrankenkassen gescheitert sind. Insoweit führte die Regelung vor dem 1.1.1993, die den Erlass einer Rechtsverordnung erst zuließ, wenn innerhalb von 12 Monaten nach Antragstellung keine freiwillige Vereinigung zustande kam, lediglich zu einer Verzögerung bei der Zwangsvereinigung. Auch wenn § 145 von Amts wegen eine Zwangsvereinigung nicht zulässt, hat die Landesregierung nunmehr durch § 143 die Möglichkeit der Zwangsvereinigung ohne Antrag durch Festsetzung einer Region der Ortskrankenkasse durch Rechtsverordnung (vgl. Komm. zu § 143).
Rz. 8
Da die vorhandene Leistungsfähigkeit oder ein überdurchschnittlicher Bedarfssatz für sich noch keinen Rechtsverstoß darstellen, kann die Aufsichtsbehörde die Ortskrankenkasse oder deren Landesverband nicht verpflichten, einen Antrag gemäß § 145 zu stellen oder ihn im Wege der Ersatzvornahme selbst stellen. Selbstverständlich kann allerdings die Aufsichtsbehörde eine Antragstellung bei Ortskrankenkasse oder Landesverband oder den Erlass einer Rechtsverordnung nach § 143 bei der Landesregierung anregen.
2.1.1.2 Anhörung
Rz. 9
Vor dem Erlass einer Rechtsverordnung sind die betroffenen Ortskrankenkassen und ihre Landesverbände zu hören. Ein Anhörungsrecht der Verbände der beteiligten Krankenkassen besteht im Fall der Vereinigung darüber hinaus gemäß § 172 Abs. 1. Zu den beteiligten Ortskrankenkassen gehören alle, auf die sich die beabsichtigte Vereinigung erstreckt. Desgleichen sind die Landesverbände anzuhören, denen beteiligte Ortskrankenkassen angehören. Die Anhörung soll den Beteiligten lediglich die Möglichkeit einräumen, zu der beabsichtigten Vereinigung Stellung zu nehmen. Eine zwingende Berücksichtigung des Vorbringens bei der Entscheidung ist nicht erforderlich.
Rz. 10
Eine unterlassene Anhörung eines Landesverbandes kann von diesem nicht gerichtlich geltend gemacht werden, da keine Beschwer vorliegt (vgl. Bay. LSG, Beschluss v. 6.7.1960, Kr 113/56, Breithaupt 1960 S. 963) und die Anhörung den Verband nicht zu Beteiligten macht (vgl. § 12 Abs. 3 SGB X). Auch bei einer unterlassenen Anhörung einer Ortskrankenkasse kann diese sich nicht auf die unterlassene Anhörung berufen mit dem Ziel, die Nichtigkeit der Rechtsverordnung und damit ihren Fortbestand als eigenständige Ortskrankenkasse zu begründen. Steht der einzelnen Ortskrankenkasse kein eigenes Recht am Fortbestand zu (vgl. Komm. zu § 143), wird durch die Rechtsverordnung nicht in deren Rechte eingegriffen, so dass keine notwendige Anhörung i. S. v. § 42 Satz 2 i. V. m. § 24 Abs. 1 SGB X vorliegt, die ungeachtet der Entscheidung in der Sache zur Aufhebung führen müsste.
2.1.1.3 Verbesserung der Leistungsfähigkeit (Abs. 1 Nr. 1)
Rz. 11
Eine Rechtsverordnung zur Zwangsvereinigung mehrerer Ortskrankenkassen kann unter der materiellen Voraussetzung erlassen werden, dass dadurch die Leistungsfähigkeit der betroffenen Krankenkassen verbessert werden kann. Eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit kann darin liegen, dass durch die Vereinigung Verwaltungsaufgaben rationalisiert und dadurch wirtschaftlicher wahrgenommen werden können. Aber auch die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu einer in der Region konkurrierenden Krankenkasse soll im Sinn dieser Regelung eine Stärkung der Leistungsfähigkeit bedeuten (BT-Drs. 12/3608 S. 108). Die hier genannten Gründe sind den Gründen sehr ähnlich, die für die Festsetzung einer Region durch Rechtsverordnung gemäß § 143 sprechen (vgl. Komm. zu § 143). Für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit ist nicht auf jede einzelne Ortskrankenkasse abzustellen, sondern auf die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der betroffenen Ortskrankenkassen insgesamt. Die Wettbewerbssituation kann gegenüber Ersatzkassen, aber auch gegenüber Betriebs- oder/und Innungskrankenkassen bestehen, denn die Wettbewerbsfähigkeit soll für das ab 1.1.1993 bestehende Wahlrecht gemäß § 183 Abs. 6 und die allgemeine Wahlfreiheit der Krankenkassen ab 1.1.1996 nach § 173 hergestellt werden.
2.1.1.4 Überdurchschnittlicher Bedarfssatz (Abs. 1 Nr. 2)
Rz. 12
Neben und unabhängig von der Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann eine Zwangsvereinigung auch dann erfolgen, wenn eine Ortskrankenkasse einen überdurchschnittlichen Bedarfssatz hat. (Zur Neudefinition des Be...