Rz. 17
Die Regelung über die anteilige Beitragstragung ist vor dem Hintergrund der alleinigen Beitragszahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 253 i. V. m. § 28e SGB IV) zu sehen, wegen der ihm nach § 28g Satz 1 SGB IV nur ein Anspruch gegen den Beschäftigten auf die von diesem zu tragenden Beitragsanteile zusteht. Dabei bildet die Regelung des Abs. 1 und 3 i. V. m. § 28g Satz 1 SGB IV die Rechtsgrundlage für den Umfang des möglichen Einbehalts der Arbeitnehmeranteile zur Krankenversicherung (und auch zur Pflegeversicherung) als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags.
Rz. 18
Der Arbeitgeber kann nach § 28g Satz 2 SGB IV den vom Arbeitnehmer zu tragenden Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nur zeitlich begrenzt durch Abzug vom Arbeitsentgelt durchsetzen. Dies geschieht üblicherweise in der Form, dass der Arbeitsentgeltanspruch (brutto) des Abrechnungszeitraumes errechnet und daraus die Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags errechnet wird. Von dem Bruttobetrag des Arbeitsentgeltes wird der vom Arbeitnehmer zu tragende Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als Arbeitnehmeranteil einbehalten und der Restbetrag (nach Abzug der Lohnsteuer nach dem Bruttoarbeitsentgelt) dem Arbeitnehmer als Nettolohn ausgezahlt. Sozialversicherungsbeiträge (und Lohnsteuer) sind dann bis zum Fälligkeitstag (vgl. dazu Komm. zu § 23 SGB IV) an die Krankenkasse bzw. das Finanzamt zu zahlen. Der Abzug der Arbeitnehmeranteile vom Bruttoarbeitsentgeltanspruch stellt letztlich die Aufrechnung des Arbeitgebers mit den vom Arbeitnehmer nach § 249 Abs. 1 zu tragenden Beitragsanteilen dar, die der Arbeitnehmer zu dulden hat (BSG, Urteil v. 25.10.1990 12 RK 27/89, Die Beiträge 1991 S. 314). Diese Befugnis zur Aufrechnung durch Einbehalt vom Bruttolohnanspruch besteht auch, soweit der Arbeitnehmer die Beiträge aus dem krankenkassenindividuellen Beitragssatz nach § 242 allein zu tragen hat, denn dieser Beitrag gehört zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der vom Arbeitgeber zu zahlen ist. (Zur Strafbarkeit einbehaltener und nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile vgl. § 266a StGB.)
Rz. 19
Den Arbeitgeber trifft insoweit nicht nur die Pflicht, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu berechnen, sondern auch das Risiko, die Arbeitsentgelteigenschaft von bestimmten Leistungen (vgl. Rz. 12 ff. und Komm. zu § 14 SGB IV) falsch zu beurteilen. Fehlbeurteilungen führen häufig zur alleinigen Beitragstragungspflicht des Arbeitgebers. Von dem Grundsatz der hälftigen Tragung der Beiträge kann nicht durch Parteivereinbarung zulasten des Beschäftigten abgewichen werden (§ 32 SGB I), auch nicht um materiell berechtigte Rückgriffsmöglichkeiten für Arbeitnehmeranteile über § 28g SGB IV hinaus zu erhalten.
Rz. 20
Für den Beitragseinbehalt des Arbeitgebers gilt als Grundsatz, dass ein unterbliebener Lohnabzug nur bei den 3 nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden kann (§ 28g Satz 2 SGB IV), darüber hinaus nur dann, wenn der Arbeitgeber schuldlos den Beitragsabzug unterlassen hatte. Weiterhin ist ein auch außerhalb des Lohnabzugsverfahrens durchsetzbarer Anspruch des Arbeitgebers auf vom Beschäftigten zu tragende Beiträge gegeben, wenn der unterlassene Beitragsabzug auf einer Verletzung der Mitteilungspflichten des Arbeitnehmers nach § 28o SGB IV beruht. Das Verwaltungsvereinfachungsgesetz v. 21.3.2005 (BGBl. I S. 818) hat mit Wirkung zum 30.3.2005 in § 28g Satz 4 SGB IV als weitere Ausnahme sowohl für die Geltung des Lohnabzugsverfahrens als auch den Zeitraum von 3 Monaten den Fall vorgesehen, dass der Beschäftigte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein trägt oder er nur Sachbezüge erhält. Mit der alleinigen Tragung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 28d SGB IV kann dabei nicht nur der Fall gemeint sein, dass der Beschäftigte diesen im vollen Umfang allein zu tragen hat, sondern auch wenn er Teile davon allein zu tragen hat.
Rz. 21
Insbesondere im Zusammenhang mit Abfindungszahlungen wird die Arbeitsentgelteigenschaft und damit die Beitragspflicht in der Sozialversicherung häufig verkannt, nachdem das BAG (Urteil v. 9.11.1988, 4 AZR 433/88, NJW 1989 S. 1381) die Arbeitsentgelteigenschaft (§ 14 SGB IV) einer Abfindung und damit die Beitragspflicht verneint hatte. Das BSG (Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 20/88, NJW 1990 S. 2274) ist zwar im Ergebnis (Beitragsfreiheit) dem BAG gefolgt, es hat jedoch eine Abfindung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich dem Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV zugerechnet. Die Beitragsfreiheit wurde allerdings darauf gestützt, dass die Abfindung zeitlich nicht auf die Beschäftigungszeit zu verschieben sei, da es dafür an einer dem § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG vergleichbaren Vorschrift fehle.
Rz. 22
Sowohl das BAG (Urteil v. 9.11.1988, 4 AZR 433/88, NJW 1989 S. 1381) als auch das BSG (Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 65/87, USK 9016 und bereits SozR 2200 § 180 Nr. 39) haben jedoch die Beitragsfreiheit einer Abfindung davon abhängig gemacht, dass in und mit ihr nicht in Wirklichkeit rückständiges Arbeitsen...