0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 35c ist durch Art. 1 Nr. 20a des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378) mit Wirkung zum 1.4.2007 in das SGB V aufgenommen worden. Die Norm geht zurück auf die Beschlussempfehlung des 14. Ausschusses (BT-Drs. 16/4200).
Rz. 2
Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) v. 22.12.2010 (BGBl. I S. 2262) hat mit Wirkung zum 1.1.2011 § 35c geändert. In der Überschrift der Norm sind die Wörter "in klinischen Studien" gestrichen worden. Hierbei handelt es sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung infolge der Einfügung der Regelung zur Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind, in Abs. 1. Eine inhaltliche Änderung ist damit nicht verbunden.
Der jetzige Abs. 1 der Norm ist durch das AMNOG eingefügt worden. Der bisherige Wortlaut der Norm findet sich jetzt in Abs. 2. Dort sind in Satz 1 die Wörter "des § 35b Abs. 3" durch die Wörter "des Absatzes 1" ersetzt worden.
Rz. 3
Abs. 1 ist durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 2983) geändert worden. In Satz 1 sind nach dem Wort "Medizinprodukte" die Wörter "davon mindestens eine ständige Expertengruppe, die fachgebietsbezogen ergänzt werden kann" eingefügt worden. Ferner sind nach Satz 1 die Sätze 2 bis 5 eingeschoben worden. Die ursprünglichen Sätze 2 bis 4 wurden dadurch aktuell zu den Sätzen 6 bis 8. Die Änderungen gelten mit Wirkung zum 1.1.2012.
1 Allgemeines
Rz. 4
Die Vorschrift schafft die Grundlage für die Übernahme der Kosten für Arzneimittel, die in der ambulanten Versorgung im zulassungsüberschreitenden Einsatz im Rahmen einer klinischen Studie verordnet werden. Abs. 2 begründet einen Anspruch des Versicherten bei Teilnahme an einer klinischen Studie.
Ziel der Regelung ist eine Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten in den Fällen, in denen für bestimmte Patientengruppen sowie Krankheitsbilder die Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in deren zugelassenen Anwendungsbereich allein keine ausreichende Versorgung sicherstellt und für die deshalb eine Therapie im Rahmen von klinischen Prüfungen entwickelt werden soll. Dies trifft insbesondere häufig für die Kinderonkologie zu, in der oftmals nur Präparate zur Verfügung stehen, welche für diese Altersgruppe nicht zulassen sind, so dass die Behandlung im Rahmen von klinischen Prüfungen durchgeführt werden muss. Das gilt ebenso für sehr seltene Erkrankungen, weil es an einer entsprechenden Forschung fehlt. Dem pharmazeutischen Hersteller wird i. d. R. das ökonomisches Interesse fehlen, eine erweiterte Zulassung anzustreben, weil entsprechende "Marktsegmente" nicht vorhanden sind (BT-Drs. 16/4247 S. 33).
2 Rechtspraxis
2.1 Bewertungen zum off-label-use von zugelassenen Arzneimitteln (Abs. 1)
Rz. 5
Abs. 1 i. d. F. d. AMNOG enthält eine Regelung zur Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind. Abs. 1 entspricht im Wesentlichen § 35b Abs. 3 in der letzten Fassung vor der Änderung der Norm durch das AMNOG. Die Regelung wurde in § 35c verschoben, weil § 35b nun ausschließlich die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln erfasst. Die Verschiebung war aus systematischen Gründen geboten, weil die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind, nicht Teil der Kosten-Nutzen-Bewertung sind. Eine inhaltliche Änderung ist mit dieser systematisch bedingten Änderung des Standortes nicht verbunden (BT-Drs. 17/2413 S. 25).
Rz. 6
Abs. 1 trifft Voraussetzungen für den Anspruch von Versicherten auf Arzneimittel bei derartigen Anwendungen außerhalb von nach dem AMG zugelassenen Anwendungsgebieten. Das BMG beruft für die Abgabe von Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem AMG nicht zugelassen sind, Expertengruppen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Diese leiten die Bewertungen dem Gemeinsamen Bundesausschuss als Empfehlung zur Beschlussfassung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 zu (Abs. 1 Satz 6).
Der durch das GKV-VStG erweiterte Abs. 1 Satz 1 macht die Einrichtung einer ständigen Expertengruppe erforderlich. Neben den bisher bestehenden fachgebietsbezogenen Expertengruppen Onkologie, Neurologie/Psychiatrie, Infektiologie und Ophthalmologie ist vom BMG mindestens eine ständige Expertengruppe einzuberufen. Die Einrichtung mindestens einer ständigen Expertengruppe soll garantieren, dass auch andere Themen außerhalb der genannten Fachgebiete bearbeitet werden können, ohne dass dafür jeweils die Einrichtung einer eigenen fachspezifischen Expertengruppe notwendig ist. Ferner...