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Gemäß § 97 Abs. 1 GWB beschaffen öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen nach Maßgabe der kartellvergaberechtlichen Vorschriften. Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers ist in § 98 GWB definiert. Für die gesetzlichen Krankenkassen ist allein zu prüfen, ob die Voraussetzungen von § 98 Nr. 2 GWB vorliegen. Die Definition in § 98 Nr. 2 GWB entspricht im Wesentlichen derjenigen in Art. 1 Abs. 9 VKR. Danach ist jede Einrichtung öffentlicher Auftraggeber, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, Rechtspersönlichkeit besitzt und überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von den Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind. Der Zweck der VKR besteht darin, die Gefahr einer Bevorzugung einheimischer Bieter oder Bewerber bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Auftraggeber auszuschalten und zugleich die Möglichkeit auszuschließen, dass eine vom Staat finanzierte oder kontrollierte Stelle sich von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt (EuGH, Urteil v. 13.12.2007, C-337/06). Dabei ist der Begriff des öffentlichen Auftraggebers funktionell zu verstehen. Eine staatliche Finanzierung ist anzunehmen, wenn vom Bürger ein Entgelt (Gebühr, Beitrag) verlangt wird, dessen Voraussetzungen und Höhe auf einer gesetzlichen Regelung beruhen und das im Wege hoheitlichen Handelns eingezogen wird, für das er aber keine spezifische Gegenleistung erhält (EuGH, Urteil v. 3.10.2004, C-380/98).
Das LSG Baden-Württemberg (Beschluss v. 23.1.2009, L 11 WB 5971/08) hat dazu ausgeführt: Krankenkassen sind öffentliche Auftraggeber. Dies beruht – entgegen der vom OLG Düsseldorf (NZBau 2008 S. 194) vertretenen Ansicht – nicht auf einer überwiegenden Finanzierung durch den Bund. Denn dem steht bereits § 220 Abs. 1 Satz 1 entgegen, wonach die Mittel der Krankenversicherung durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht werden. Der Bund beteiligt sich nach § 221 Abs. 1 Satz 1 nur in Form einer pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen an dieser Finanzierung. Von einer Finanzierung durch den Bund kann daher bereits nach dem klaren Wortlaut des SGB V nicht gesprochen werden. Weiter erhalten sowohl die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten als auch die Pflichtversicherten für ihre Beiträge eine spezifische Gegenleistung in Form eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes. Anders als bei der Rundfunkgebühr, bei der die Gebührenpflicht allein dadurch entsteht, dass ein Empfangsgerät bereitgehalten wird und die Gebühr keine Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme der von den fraglichen Einrichtungen erbrachten Dienstleistungen darstellt, erwerben die gesetzlich Krankenversicherten einen Schutz gegen das Risiko einer Krankheit. Die Gegenleistung besteht nicht in der Gewährung bestimmter Dienst-, Sach- oder Geldleistungen, sondern wie bei jeder anderen Risikoversicherung in der Abdeckung eines bestimmten versicherten Risikos und wird deshalb auch dann erbracht, wenn ein Versicherungsfall gar nicht eintritt. Der Umstand, dass die Beitragserhebung bei den Pflichtversicherten nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung der Versicherten mit den Krankenkassen beruht, sondern auf einer gesetzlichen Regelung, zwingt nicht dazu, eine staatliche Finanzierung anzunehmen.
Die Kenntnis des Schlussantrages des Generalanwalts beim EuGH (Antrag v. 16.12.2008 in C-300/07) hat das LSG Baden- Württemberg nicht zu einer Änderung seiner Rechtsansicht veranlasst. Der Generalanwalt führt darin zwar aus, dass die von den deutschen Krankenkassen erbrachten Gesundheitsdienstleistungen keine "spezifische Gegenleistung" für die gezahlten Versicherungsbeiträge im Sinn der Rechtsprechung des EuGH seien, weil die Pflicht zur tatsächlichen Leistungserbringung von der Zahlung der Versicherungsbeiträge unabhängig sei. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss v. 18.7.2005, BvF 2/01) zeichnen sich jedoch Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung aus. Die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung vermag die Auferlegung nur solcher Geldleistungspflichten zu rechtfertigen, die ihren Grund und ihre Grenze in den Aufgaben der Sozialversicherung finden. Die erhobenen Geldmittel dürfen daher allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden. Zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner Glieder stehen sie nicht zur Verfügung. Dementsprechend sieht das SGB V ausd...