Prof. Dr. Volker Wahrendorf
1.1 Inhalt der Vorschrift
Rz. 2
Die Vorschrift ist in sich nicht konsistent. Man merkt der Vorschrift an, dass sie immer wieder das Ergebnis gesundheitspolitischer Diskussionen gewesen ist und noch ist (vgl. Klückmann, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 73 Rz. 3). Kein Wunder, dass der Aufbau der Vorschrift als undurchsichtig bezeichnet wird (Klückmann, a. a. O., Rz. 5) und damit als misslungen bezeichnet werden kann. Die Vorschrift enthält neben der Gliederung der ärztlichen Versorgung (Abs. 1) Konkretisierungen der hausärztlichen Versorgung in den Abs. 1, 1a und 2. Daneben regelt die Vorschrift den Inhalt von Gesamtverträgen (Abs. 3), die Verordnung von Krankenhausbehandlungen (Abs. 4), Maßnahmen zur Früherkennung (Abs. 6), das Verbot, sich für die Zuweisung Vorteile versprechen zu lassen (Abs. 7), eine wirtschaftliche Verordnungsweise zu sichern (Abs. 8), Anweisungen für die Verordnung von Arzneimitteln und Hilfsmitteln unter Benutzung elektronischer Programme (Abs. 9 und 10) und Regeln zur Diagnose nach § 125a (Abs. 11).
1.2 Verfassungsrechtliche Vereinbarkeit
Rz. 3
Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz, die vertragsärztliche in einen hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereich zu gliedern. Eine solche Regelung gehört der Sache nach zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Aufteilung in eine hausärztliche und fachärztliche Versorgung konkretisiert die abrechenbaren ärztlichen Leistungen an die Versicherten im ambulanten Bereich. Die Argumente, die von einer Kompetenzwidrigkeit des § 73 Abs. 1a und § 95a ausgehen, berücksichtigen nicht die selbständige Bedeutung der Sozialversicherung, in der eigenständige Regelungen auf Grundlage ihres Auftrags jederzeit möglich sind (BVerfG, Urteil v. 17.6.1999, 1 BvR 2507/97; vgl. auch BSG, Urteil v. 13.2.2019, B 6 KA 62/17 R).
Die Trennung der Versorgungsbereiche ist vom BVerfG in der Sache nach als mit Art. 12 Abs. I GG vereinbar angesehen worden. Es hat in der zitierten Entscheidung auch ausgeführt: Heranzuziehen sind die für eine Berufsausübungsregelung geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe. Die Aufgliederung des hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereichs dient dem Gemeinwohl. Durch die Neuordnung werden gesundheitspolitische Ziele der Qualitätsverbesserung für die Versicherten (vgl. dazu auch Wenner, NZS 2002 S. 1; Warner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB V, § 73 Rz. 3f) und ebenfalls finanzpolitische Ziele der Kostendämpfung angestrebt. Bei der Ausgestaltung der Krankenversicherung sind sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers hinzunehmen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam, noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind. Auch die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist als Gemeinwohlaufgabe von hoher Bedeutung anzusehen. Dies gilt auch und gerade gegenüber den Leistungserbringern innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, denen durch die Einbeziehung in das öffentlich rechtliche System des Vertragsarztrechtes besondere Vorteile erwachsen.
Die mittelbar angegriffenen Regelungen genügen auch im Übrigen den Anforderungen, die aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit resultieren. Sie sind zur Umsetzung der gesundheits- und finanzpolitischen Ziele geeignet und erforderlich. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der sie rechtfertigenden Gründe ist vor allem im Hinblick auf die langen Übergangsfristen die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten.
1.3 Kassenärztliche Versorgung
Rz. 4
Die Überschrift "Kassenärztliche Versorgung" ist begrifflich lange überholt, weil schon im Ersten Titel des Zweiten Abschnitts des Vierten Kapitels auf die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung abgestellt und in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift die vertragsärztliche Versorgung zum Gegenstand der Vorschrift gemacht worden ist. Warum die Überschrift nicht längst redaktionell in "Vertragsärztliche Versorgung" geändert worden ist, bleibt das Geheimnis des Gesetzgebers. Die Wörter "die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich ..." in Abs. 1 Satz 1 machen jedenfalls deutlich, dass es nicht um die kassenärztliche Versorgung, sondern um die auch in den anderen Vorschriften immer wieder genannte vertragsärztliche Versorgung geht. Eine weitere, aber ebenfalls nicht genutzte Gelegenheit, die Überschrift entsprechend anzupassen, war aufgrund des AMVSG 2017 gegeben, mit dem die Überschrift um das Wort "Verordnungsermächtigung" ergänzt worden ist. Vertragsärztliche Versorgung bezeichnet die gesamte Tätigkeit des Arztes (Sproll, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 73 Rz. 2). Die Gliederung in die hausärztliche und fachärztliche Versorgung hat Auswirkungen auf die entsprechende Bedarfsplanung (§ 99) und die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen (§§ 85, 87b). Zweck dieser Einteilung ist, dass durch spezifisch vertragsärztliche Gesichtspunkte die flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Versicherten ermöglicht werden soll (vgl. auch Wenner, NZS 2002 S. 3).
Rz. 5
Ausgangspunkt...