Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 107
Neben diesen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben können die KVen/KBV mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden weitere ärztliche Versorgungsaufgaben insbesondere für andere Sozialversicherungsträger übernehmen. In Betracht kommen insbesondere Verträge mit den Rentenversicherungsträgern und den Berufsgenossenschaften, aber auch mit anderen Institutionen, wie Trägern der Sozialhilfe. "Weiter Aufgaben der ärztlichen Versorgung" sind nicht nur auf die Sicherstellung und Gewährleistung der ärztlichen Versorgung beschränkt, sondern können sich auch auf einzelne Teilbereiche, wie z. B. die Übernahme der Abrechnung der ärztlichen Leistungen beziehen. Zu den freiwillig übernommenen Aufgaben zählen z. B. die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten und die ärztliche Versorgung der Mitglieder der Postbeamtenkrankenkasse. Vertragspartner sind die KBV einerseits sowie der Vorstand der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) bzw. die Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK) andererseits. Die Zustimmung der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde zur Übernahme freiwilliger Aufgaben ist der KV/KBV zu erteilen, wenn Gesetz oder sonstiges Recht beachtet worden sind. Zweckmäßigkeitsfragen, die sich die KV/KBV selbst stellen werden, haben für die Erteilung der Zustimmung keine Bedeutung. Die Geltung eines von der KBV geschlossenen Vertrages für die regionale KV ergibt sich nach § 81 Abs. 3 Satz 1 aus deren Satzung.
Rz. 108
Mit Wirkung zum 1.10.2015, der unter dem 1.4.2017 erneuert worden ist, ist z. B. in Nordrhein-Westfalen der Vertrag über die ärztliche Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) gestartet. Der Vertrag, der zwischen der KV Nordrhein und der KV Westfalen-Lippe einerseits und dem Land Nordrhein-Westfalen geschlossen ist, bezieht sich auf die Erstuntersuchung der Flüchtlinge und Asylbewerber während der Unterbringung in den mehr als 160 sog. Ersteinrichtungen, zentralen Unterbringungseinrichtungen und Notunterkünften des Landes Nordrhein-Westfalen. Gegenstand des Vertrages ist die ärztliche Erstuntersuchung, die neben der Eingangsuntersuchung auch eine Röntgenuntersuchung und Impfungen beinhaltet. Bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen, sind auch kurative Leistungen nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Vertragsgegenstand. Bei den zu versorgenden Personen handelt es sich um Asylbewerber, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen und zentralen Unterbringungseinrichtungen einschließlich der Notunterkünfte des Landes Nordrhein-Westfalen wohnen. Hierzu zählen auch die Aufnahmeeinrichtungen, die von den Kommunen für das Land Nordrhein-Westfalen betrieben werden.
Der Vertrag sieht vor, dass die jeweils zuständige KV die Arztabrechnungen aus den Einrichtungen des Landes zur Aufnahme von Flüchtlingen übernimmt und damit die zentrale Bearbeitung der bisherigen Einzelabrechnungen aus den Landeseinrichtungen durch die Bezirksregierung Arnsberg entbehrlich geworden ist. Nach eigenen Aussagen haben die beiden KVen in Nordrhein-Westfalen gegenüber der Landesregierung bereits frühzeitig deutlich gemacht, dass sie in der Lage und willens sind, bei einer möglichst effizienten medizinischen Versorgung der Menschen, die so zahlreich nach Deutschland kommen, mitzuhelfen. Durch die freiwillige Unterstützung der KVen wird die Organisation bei der flächendeckenden Erstversorgung der Asylbewerber erheblich vereinfacht und beschleunigt. Zudem erhalten die am Vertrag teilnehmenden Ärzte Sicherheit in Abrechnungs- und Verordnungsfragen. Die KVen haben damit im Sinne des Abs. 6 freiwillig eine weitere Aufgabe der ärztlichen Versorgung übernommen, nämlich die Abrechnung der ärztlichen Leistungen für diese Asylbewerber, wobei die dafür erforderliche Zustimmung der Aufsichtsbehörden in diesem Fall schon deshalb gegeben ist, weil Gesetz und sonstiges Recht beachtet worden sind und weil der Vertragspartner das Land Nordrhein-Westfalen selbst ist, dem die Aufsicht über die KVen untersteht. Die in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium Nordrhein-Westfalen erarbeitete Zusammenarbeit zwischen den KVen und dem Land Nordrhein-Westfalen soll auch dazu dienen, weitere Ärzte für die Flüchtlingsversorgung in der Landesaufnahme zu gewinnen.
Rz. 109
Um die Teilnahme für die Mediziner so einfach und unbürokratisch wie möglich zu gestalten, erstellen die Landeseinrichtungen Listen mit Namen und Geburtsdaten der Flüchtlinge. Zur Durchführung der Erstuntersuchung erhält der behandelnde Arzt von der jeweiligen Aufnahmeeinrichtung autorisierte Namenslisten mit den Personalien der Patienten und mit den standardisiert abrechenbaren Leistungen (Erstuntersuchungen, durchgeführte Impfungen und etwaige Röntgenuntersuchungen auf Tuberkulose); anschließend werden die Listen in Papierform mit der üblichen Quartalsabrechnung bei der zuständigen KV eingereicht und abgerechnet. Die durchgeführten Leistungen vergütet die KV mit Pauschalen.
Rz. 110
Für die individuellen kurativen Leistungen nach § 4 AsylbLG ...