Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 51
Abs. 3 beschreibt ohne konkrete Vorgaben die Konsequenzen, wenn das vereinbarte Ausgabenvolumen für Leistungen nach § 31 auf KV-Ebene wider Erwarten überschritten worden ist. Die Überschreitung lässt sich i. d. R. erst feststellen, wenn die arztbezogenen und geprüften Arzneimittelausgaben auf Bundesebene zusammengeführt und auf die KV-Ebene heruntergebrochen sind. Wegen des Anteils der Fremdversicherten am Ausgabenvolumen scheidet eine Datenzusammenführung auf KV-Ebene zwangsläufig aus, sodass die tatsächliche Überschreitungshöhe erst Monate nach Ablauf des Kalenderjahres bekannt sein dürfte, für das die Arzneimittelvereinbarung gilt.
Im Anschluss daran haben die Vereinbarungspartner gemeinsam die Ursachen der Überschreitung zu analysieren. Nach Vornahme der Bewertung stellen die Vereinbarungspartner gemeinsam fest, ob das vereinbarte Ausgabenvolumen eingehalten und die Zielvereinbarungen erreicht worden sind. Gleichzeitig prüfen die Vereinbarungspartner, welche Konsequenzen aus den im Rahmen der Bewertung gewonnenen Erkenntnissen für die künftige Steuerung der Leistungen nach § 31 bzw. die Versorgung mit diesen Leistungen zu ziehen sind.
Hält ein Vertragsarzt sowohl die Generikaquote als auch die Me-Too-Quote ein und werden von ihm auch alle, ihn betreffenden DDD-Quotenziele erfüllt, so gilt er hinsichtlich seiner Verordnungsweise weder als auffällig, noch wird von einem normabweichenden Verhalten ausgegangen, sodass insofern eine Wirtschaftlichkeitsprüfung grundsätzlich nicht mehr durchgeführt wird. Dies geht auf die Empfehlung der Bundesvertragspartner zurück, nach der ein Arzt, der überwiegend die für sein Verordnungsspektrum auf regionaler Ebene gesetzten Ziele erreicht hat, für die in diesen Zielen enthaltenen Arzneimittel von der Wirtschaftlichkeitsprüfung des § 106b befreit werden soll. Voraussetzung dafür ist aber eine entsprechende Regelung in der Prüfvereinbarung des jeweiligen KV-Bereichs. Damit greift die Empfehlung der Bundesebene in rechtlicher Hinsicht nicht in die Zuständigkeit der regionalen Vertragspartner für die Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Wirtschaftlichkeitsprüfvereinbarung ein. Bestehen aber begründete Zweifel, dass durch die Einhaltung der Zielwerte die Wirtschaftlichkeit als gegeben angesehen werden kann, wird ausnahmsweise doch eine Prüfung durchgeführt. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn von einem Vertragsarzt Arzneimittel nicht indikationsgerecht oder die Verordnungsmenge nicht adäquat eingesetzt worden sind.
Wenn das Ausgabenvolumen eingehalten und die Zielvereinbarungen erreicht worden sind, scheidet ein allgemeiner Ausgleichsmechanismus grundsätzlich aus, weil sich dann die Ursache einer medizinisch oder pharmakologisch nicht zu begründenden Überschreitung auf diejenigen Vertragsärzte reduziert, die bei ihren Verordnungen der Leistungen nach § 31 das Maß des Notwendigen überschritten haben.
Anders wäre es, wenn nicht einmal die Zielvereinbarungen insgesamt erreicht worden wären, sich die Arzneimittelvereinbarung als unwirksam oder die Zielvereinbarungen sich als unrealistisch herausgestellt hätten. Nachdem gesetzlich nicht mehr vorgeschrieben ist, zumindest theoretisch einen Abzug an der Gesamtvergütung vorzunehmen, ist es jetzt den Vertragspartnern auf Landesebene anheimgestellt, die Überschreitung zum Gegenstand der Gesamtverträge zu machen. Insoweit hat der Gesetzgeber seine bisherige Verantwortung für eine (im Ergebnis aber nie praktizierte) Ausgleichsregelung auf die gemeinsame Selbstverwaltung übertragen. Welches Ergebnis erzielt wird, ob die Gesamtvergütung um die Überschreitung in voller oder anteiliger Höhe reduziert wird, ob sich die Reduzierung auf den jährlichen Honorarzuwachs ganz oder anteilig beschränkt oder ob weitere Maßnahmen gegen solche Ärzte vereinbart werden, die unwirtschaftlich verordnet haben, bleibt dem Verhandlungsgeschick der Landesebene, ggf. auch der Entscheidung des Schiedsamtes nach § 89 überlassen. Die Möglichkeit, auch Unterschreitungen des Ausgabenvolumens zum Gegenstand der Gesamtverträge zu machen, deutet aber an, dass der Gesetzgeber mindestens von einer Abhängigkeit zwischen der Gesamtvergütung und dem vereinbarten Verordnungsvolumen ausgegangen ist.