Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 91
Bereits in der Begründung zum Gesundheitsstrukturgesetz war zum Ausdruck gekommen, dass es bisher nicht gelungen sei, der Zahnerhaltung und der Prävention Vorrang vor den Zahnersatzleistungen einzuräumen. Der Grund dafür wurde damals schon in der vorhandenen Überbewertung der Vergütung der Zahnersatzleistungen gesehen. Betriebswirtschaftliche Gutachten, welche die Regierung in Auftrag gegeben hatte, waren schon Jahre vorher zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vergütungen für Zahnersatz/Zahnkronen um rd. 30 % überbewertet waren gegenüber den Vergütungen für konservierende Leistungen bzw. für Leistungen der Parodontalbehandlung. Im Zuge der Neustrukturierung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen im Jahre 1986 war es erst aufgrund einer Entscheidung des erweiterten Bewertungsausschusses (Lösung für den Konfliktfall nach § 87 Abs. 4) möglich gewesen, die Überbewertung bei Zahnersatz um ca. 15 % zu reduzieren bei gleichzeitiger Aufwertung der konservierenden (zahnerhaltenden) Leistungen. Für Kieferorthopädie waren ebenfalls Überbewertungen festgestellt worden, die noch aus einer Zeit stammten, als die Kieferorthopädie in die vertragszahnärztliche Versorgung eingeführt worden ist; außerdem sind gerade in der Kieferorthopädie Rationalisierungen zu verzeichnen, die zu der Überbewertung beigetragen hatten. Die Weigerung der zahnärztlichen Berufspolitik, in gemeinsamer Selbstverwaltung mit den Krankenkassen sinnvolle Lösungen zu entwickeln, haben ab 1.1.1993 zu massiven gesetzlichen Einschnitten in die Gesamtverträge, speziell in die Vergütungsregelungen geführt, die heute noch nachwirken.
Rz. 92
Mit der Einführung von Festzuschüssen bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen ab 1.1.1998 und der Festschreibung des zahnärztlichen Honorars auf das 1,7fache der Gebührenordnung-Zahnärzte schien das Thema zunächst vom Tisch zu sein. Der aufgrund des GKV-SolG erfolgte Wegfall der Kostenerstattung und der Festzuschüsse für Zahnersatz ab 1.1.1999 machte es jedoch wieder notwendig, das Ungleichgewicht zu beseitigen. Wie das umgesetzt werden sollte, blieb zunächst Sache der gemeinsamen Selbstverwaltung der Zahnärzte und Krankenkassen. Bei der Vorgeschichte konnte es nicht überraschen, dass in 1999 nichts geschehen ist. Das seit 1.1.2000 geltende GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 hat deshalb den Gedanken der immer noch notwendigen Umstrukturierung und der Beseitigung des Ungleichgewichts erneut aufgegriffen und in § 87 Abs. 2d eine gleichgewichtige Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen innerhalb enger Zeitvorgaben verbindlich vorgeschrieben. Bis Ende 2002 war das Ungleichgewicht jedenfalls noch nicht abgebaut worden. Die KZBV und die Spitzenverbände hatten aber wechselseitig Gutachten für eine Neubewertung in Auftrag gegeben, die gemeinsam ausgewertet und diskutiert werden mussten, bevor es zu einer Umstrukturierung des Bundesmantelvertrages (§ 87) kommen konnte. Erst mit Wirkung ab 1.1.2004 ist dann der einheitliche Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen im vorgenannten Sinne umstrukturiert worden.