Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 129
Nach Abs. 9b der Vorschrift kann mit Wirkung zum 1.1.2012 eine nach Abs. 9 Satz 1 genehmigte Anstellung auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes zu einem späteren Zeitpunkt durch den Zulassungsausschuss in eine Zulassung umgewandelt werden. Hintergrund ist, dass nach bisherigem Recht eine genehmigte Angestelltenstelle nicht in einen eigenständigen Vertragsarztsitz umgewandelt oder rückumgewandelt werden konnte, obwohl eine solche Stelle auch in überversorgten Planungsbereichen jederzeit nachbesetzt werden kann (vgl. § 103 Abs. 4a Satz 5, Abs. 4b Satz 2), sodass der gesetzlich angestrebte Abbau von Überversorgung in solchen Fällen nicht eintritt. Aus Sicht der Bedarfsplanung macht es für die Bestimmung des Versorgungsgrades daher keinen Unterschied, ob ein an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Arzt als angestellter Arzt oder als niedergelassener Vertragsarzt tätig ist. Deshalb kann es nach der Gesetzesbegründung Vertragsärzten ohne Weiteres erlaubt werden, eine genehmigte Anstellung zu einem späteren Zeitpunkt in eine Zulassung umwandeln zu lassen. Den Antrag auf Umwandlung kann nur der anstellende Vertragsarzt beim Zulassungsausschuss stellen, weil er der Inhaber der bisherigen Arztstelle für einen angestellten Arzt ist. Der Vertragsarzt kann zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt entscheiden, ob er selbst oder der bisher angestellte Arzt Inhaber der neuen Zulassung werden möchte.
Rz. 130
Die Umwandlung eines Anstellungsverhältnisses in eine Zulassung setzt allerdings zunächst voraus, dass der bisherige Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht. Der Hinweis auf den drei Viertel Versorgungsauftrag ist durch Beschluss des Ausschusses für Gesundheit mit Wirkung zum 1.1.2020 eingeführt worden. Nach der Gesetzesbegründung ist mit dieser Änderung die im TVSG den Vertragsärztinnen und Vertragsärzten eingeräumte Möglichkeit, ihren Versorgungsauftrag nicht nur auf einen halben, sondern auch auf einen drei Viertel Versorgungsauftrag zu reduzieren, in die Regelung zur Umwandlung einer genehmigten Anstellung in eine Zulassung nachvollzogen worden.. Maßgebend ist der bisherige Umfang, d. h., dass dieser in überversorgten Planungsbereichen auch nicht überschritten werden darf (BSG, Beschluss v. 14.5.2014, B 6 KA 67/13 B). Die Umwandlung erfolgt also bedarfsplanungsrechtlich neutral, sodass sich der Versorgungsgrad in einem überversorgten Planungsbereich nicht weiter erhöht.
Rz. 131
Mit der in § 103 Abs. 4 getroffenen Regelung ist es möglich, dass auch in einem überversorgten Planungsbereich ein bestehender – für die Versorgung nicht erforderlicher – Vertragsarztsitz nachbesetzt werden kann. Mit der Möglichkeit der Nachfolgezulassung in überversorgten Planungsbereichen berücksichtigt der Gesetzgeber die finanziellen Interessen des bisherigen Praxisinhabers bzw. seiner Erben, die anderenfalls wegen der fehlenden Verwertungsmöglichkeit der Arztpraxis erhebliche Nachteile erleiden würden. Da eine Arztpraxis typischerweise nicht veräußert werden kann, wenn der Erwerber den damit verbundenen Vertragsarztsitz nicht erhält, bedarf es der Zulassung des Erwerbers. Nicht der Vertragsarztsitz, sondern die Arztpraxis ist veräußerbar.
Rz. 132
Gesetzliches Ziel der Ausschreibung eines freigewordenen Vertragsarztsitzes und dessen Nachbesetzung ist die Fortführung der Praxis entweder in Gestalt einer Einzelpraxis oder des Anteils an der Berufsausübungsgemeinschaft. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Ausschreibung und Nachbesetzung einer Einzelpraxis nur solange erfolgen, wie das Praxissubstrat vorhanden ist (BSG, Beschluss v. 5.6.2013, B 6 KA 2/13 B; BSG, Urteil v. 14.12.2011, B 6 KA 13/11, sowie Urteil v. 28.11.2007, B 6 KA 26/07 R). Wenn auf Arztsitzen oder Arztstellen eine Versorgung nicht mehr fortgeführt werden kann, weil kein Praxissubstrat mehr vorhanden ist oder alle Ärzte gekündigt und die Praxisräume abgegeben worden sind, fehlt einem Nachbesetzungsverfahren die innere Rechtfertigung. Wo keine Praxis mehr existiert, kann auch keine Nachbesetzung des ihr zugeordneten Vertragsarztsitzes stattfinden; die Nachbesetzung würde ansonsten lediglich der Kommerzialisierung des Vertragsarztsitzes dienen, die aber nach dem Gesetz ausdrücklich nicht gewollt ist (BSG, Urteil v. 11.12.2013, B 6 KA 49/12 R).
Damit erhalten Vertragsärzte die flexible Möglichkeit, nach einer Bewährungsphase und einem entsprechenden Interesse einen zunächst angestellten Arzt als Vertragsarzt gleichberechtigt in die Praxis zu integrieren. Anderenfalls kann das Anstellungsverhältnis fortgeführt oder beendet werden mit der Folge, dass im beantragten Nachbesetzungsverfahren ein anderer Arzt angestellt wird. Am Status quo ändert sich bezogen auf die Verhältniszahlen einer Überversorgung nichts, solange der zeitliche Umfang der vertragsärztlichen Tätigkeit eingehalten wird.
Rz. 133
Voraussetzung für die Umwandlung ist auch, dass der zeitliche Umfang der vertragsärztlichen...