Rz. 11
Nach dem bis 31.7.1999 geltenden Recht durften die Aufwendungen der Pflegekassen für Verhinderungspflege den Betrag des Pflegegeldes (je Pflegegrad) nicht übersteigen, wenn die Verhinderungspflege von einer Pflegeperson sichergestellt wurde, die nicht erwerbsmäßig pflegte. Damit waren sämtliche ehrenamtlichen Pflegepersonen (weitläufige Verwandte, Nachbarn usw.) von der Ausschöpfung des max. Leistungsvolumens ausgeschlossen.
Mit der Neufassung des Satzes 4 anlässlich des 4. SGB XI-ÄndG v. 21.7.1999 (BGBl. I S. 1656) wurde klargestellt, dass die Beschränkung auf das Pflegegeld nur bei Verhinderungspflege durch Pflegepersonen gilt, die mit dem Pflegebedürftigen bis zum 2. Grad verwandt oder verschwägert sind oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben und im Übrigen die Vermutung gilt, dass die Verhinderungspflege nicht erwerbsmäßig, d. h. der Erzielung von Erwerbseinkommen dient, widerlegt werden muss. Hieran hat sich auch mit der Neufassung des Satzes 4 durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz v. 28.5.2008 nichts geändert. Der Gesetzgeber geht grundsätzlich davon aus, dass die Verhinderungspflege durch die in Satz 4 genannten Personen nicht erwerbsmäßig ausgeübt wird und die Annahme des Gegenteils näherer Darlegung bedarf. Mit dem PSG I v. 17.12.2014 wurde die Sätze 4 bis 6 in Abs. 2 geregelt und seit 1.1.2016 durch das PSG II v. 21.12.2015 in Abs. 3.
Verwandte (§ 1589 BGB) bis zum 2. Grad des Pflegebedürftigen sind Eltern, Kinder (einschl. der für ehelich erklärten und angenommenen Kinder), Großeltern, Enkelkinder, Geschwister. Verschwägerte (§ 1590 BGB) bis zum 2. Grad des Pflegebedürftigen sind Stiefeltern, Stiefkinder, Stiefenkelkinder (Enkelkinder des Ehegatten), Schwiegereltern, Schwiegerkinder (Schwiegersohn, Schwiegertochter, Schwiegerenkel, Ehegatten der Enkelkinder), Großeltern des Ehegatten, Stiefgroßeltern, Schwager und Schwägerin.
Die Aufwendungen, die von der Pflegekasse übernommen werden, sind grundsätzlich auf den 1,5fachen Betrag des Pflegegeldes des festgestellten Pflegegrades nach § 37 Abs. 1 Satz 3 beschränkt.
Werden bei der Verhinderungspflege durch solche Pflegepersonen mit familiärer Bindung oder mit der Zugehörigkeit zum gleichen Haushalt höhere (notwendige) Aufwendungen wie Verdienstausfall oder Fahrkosten nachgewiesen, so können diese nach Abs. 3 Satz 3 unter der Einschränkung des Satzes 4 zusätzlich übernommen werden, d. h. seit 1.1.2015 bis zu 1.612,00 EUR. Die Pflegekassen gehen dabei wie folgt vor:
Beispiel 1:
Die Verhinderungspflege bei einem Pflegebedürftigen des Pflegegrades 3 wird im Jahr 2018 von dessen nicht mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebender Tochter vom 1.3. bis 11.4. (42 Kalendertage) durchgeführt. Zusätzlich weist die Tochter 168,00 EUR Fahrkosten nach:
Kostenübernahme in Höhe des 1,5-fachen Pflegegeldes |
der Pflegegrad 3 (545,00 EUR x 1,5) |
= |
817,50 EUR |
plus Fahrkosten |
= |
168,00 EUR |
Erstattungsbetrag |
= |
985,50 EUR |
Darüber hinaus ist der Anspruch auf Verhinderungspflege für das Kalenderjahr erschöpft – die Höchstanspruchstage wurden erreicht. Deshalb kann auch nicht der evtl. nicht in Anspruch genommene Kurzzeitpflegebetrag von 806,00 EUR übertragen werden.
Beispiel 2:
Die Verhinderungspflege bei einem Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 wird im Jahr 2018 von dessen nicht mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Sohn vom 21.4. bis 11.5. (21 Kalendertage) durchgeführt. Nachgewiesen werden von dem Sohn zusätzlich Verdienstausfall i. H. v. 1.300,00 EUR und Fahrkosten i. H. v. 90,00 EUR. Der Anspruch auf Kurzzeitpflege ist für 2018 bereits ausgeschöpft.
Kostenübernahme in Höhe des 1,5 Pflegegeldes des Pflegegrades 2 |
1,5fache von 316,00 EUR = 474,00 EUR 474,00 EUR : 42 Kalendertage × 21 Kalendertage |
= |
237,00 EUR |
plus Fahrkosten |
= |
90,00 EUR |
plus Verdienstausfall |
= |
1.300,00 EUR |
gesamt |
= |
1.627,00 EUR |
Da der Höchstbetrag überschritten wird, können maximal 1.612,00 EUR erstattet werden. Darüber hinaus ist der Anspruch auf Verhinderungspflege für das laufende Kalenderjahr erschöpft.
Rz. 12
Die Beschränkung auf das Pflegegeld in Fällen der Verhinderungspflege durch nicht erwerbsmäßig pflegende Angehörige beruht auf dem Gedanken, dass hier auch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Der Anspruch auf Verhinderungspflege soll nicht der Finanzierung des Urlaubs der Pflegeperson dienen. Vielmehr sollen nur die Aufwendungen erfasst werden, die notwendigerweise mit der Einschaltung einer Ersatzkraft während der Verhinderung der Pflegeperson verbunden sind. Auch für die "einspringenden" nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen mit familiärer Bindung gilt, dass die Geldleistung keinen Einkommensersatz darstellt, sondern eine Anerkennung ihres sozialen Einsatzes. So wäre es kaum nachzuvollziehen, wenn der die Verhinderungspflege ausführenden Tochter statt des bisher gezahlten Pflegegeldes nunmehr 1.612,00 EUR gezahlt würden, obwohl beide Pflegepersonen aufgrund familiärer Beziehung unentgeltlich tätig sind. Mit der Änderung hat der Gesetzgeber hierzu eine abschließende Klarstellu...