Dr. Thomas Becker-Evermann
0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 93 wurde durch Art. 1 PflegeVG v. 26.5.1994 (BGBl. I S. 1014) mit Wirkung zum 1.6.1994 in das Gesetz aufgenommen. Die Vorschrift wurde durch Art. 132 Nr. 9 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (2. DSAnpUG-EU) v. 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626) neu gefasst. Sie ist zum 26.11.2019 in Kraft getreten. Von der Begriffstrias der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ist in Anpassung an Art. 4 Nr. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung – DSGVO) nunmehr ohne wesentliche inhaltliche Änderung die Verarbeitung verblieben. Gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO umfasst der Begriff des Verarbeitens das zuvor in § 67 SGB X a. F. legal definierte Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten (vgl. BT-Drs. 19/4674 S. 406).
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift des § 93 beschreibt die für den Bereich der Pflegeversicherung maßgeblichen datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen. Datenschutz meint dabei den Schutz des Bürgers vor Beeinträchtigung seiner Privatsphäre durch die Verarbeitung von Daten, die seine Person betreffen (vgl. Leeb/Liebhaber, JuS 2018, 534).
Nach § 93 regeln insoweit die Vorschriften des Elften Buches gemeinsam mit § 35 SGB I und den Regelungen der §§ 67 bis 84 sowie 85a SGB X den zulässigen Umgang mit personenbezogenen Daten für Zwecke der Pflegeversicherung. Sie sind u. a. Ausfluss des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (s. u.). Die Regelung ist mit dem Ziel ins Gesetz aufgenommen worden, das einfache Auffinden der in verschiedenen Büchern des SGB normierten datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu ermöglichen (BT-Drs. 12/5262 S. 150).
Dabei gehören zu den Regelungszielen des Neunten Kapitels – vergleichbar der Zielsetzung der datenschutzrechtlichen Normen des Krankenversicherungsrechts (vgl. hierzu Leopold, in: BeckOGK-SGB V, § 284 Rz. 3) – neben der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Belange der Betroffenen beim Umgang mit Daten die Sicherung der Aufgabeneffizienz. Durch Schaffung der erforderlichen Informationsgrundlagen leistet der Gesetzgeber einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Transparenz des Leistungsgeschehens. Diese ermöglicht ihrerseits eine qualifiziertere Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung. Zudem werden die Pflegekassen hiermit in die Lage versetzt, etwaigen Missbräuchen im Bereich des Pflegeversicherungsgesetzes besser entgegenzuwirken.
Rz. 3
Das Neunte Kapitel gliedert sich in 5 Abschnitte. Der Erste Abschnitt (§§ 93 bis 103) sichert den an dem Pflegegeschehen Beteiligten die zur jeweiligen Aufgabenerfüllung notwendigen Informationsgrundlagen und regelt insbesondere die Grundsätze der Datenverwendung bei den Pflegekassen, ihren Verbänden, beim Medizinischen Dienst, Sachverständigen und Gutachtern sowie bei den mit der Qualitätssicherung befassten Prüfstellen. Der Zweite Abschnitt (§§ 104 bis 106c) regelt die Aufzeichnung und Übermittlung von Leistungsdaten der Versicherten durch die Leistungserbringer für die Erfüllung der Aufgaben der Pflegekassen und ihrer Verbände. Der Dritte Abschnitt (§§ 107, 108) sieht bereichsspezifische Regelungen zur Löschung von Daten und Erteilung von Auskünften an Versicherte vor. Der Vierte Abschnitt (§ 109) befasst sich mit der Erhebung statistischer Angaben für Zwecke der Pflegeversicherung. Schließlich enthält der Fünfte Abschnitt (§ 109a) das Recht auf Interoperabilität.
Rz. 4
Die §§ 93 ff. regeln ihrem Gegenstand nach den Umgang mit personenbezogenen Daten schlechthin. Dabei ist die unterschiedliche sprachliche Fassung auffällig. Während § 35 Abs. 1 SGB I von Sozialdaten spricht und insoweit auf die Definition des § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB X verweist, normiert § 93 SGB XI die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 SGB I sowie der §§ 67 bis 84 und 85a SGB X für den Schutz personenbezogener Daten. Da § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB X Sozialdaten nunmehr ebenfalls als personenbezogene Daten definiert, ist inhaltlich damit kein Unterschied bewirkt (vgl. Krahmer/Rombey, in: LPK-SGB XI, 6. Aufl., § 93 Rz. 5; vgl. auch Prange, in: jurisPK-SGB XI, 3. Aufl., § 93 Rz. 44; anders Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 93 Rz. 52). Im Unterschied zu § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I, der die Verarbeitung von Sozialdaten durch Leistungsträger regelt, bezieht sich § 93 aber auf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die Pflegeversicherung. Damit werden von den datenschutzrechtlichen Vorschriften dieses Gesetzbuches auch Datenerhebungen und -verarbeitungen erfasst, die nicht durch Sozialversicherungsträger erfolgen (vgl. Krahmer/Rombey, in: LPK-SGB XI, § 93 Rz. 5).
Rz. 5
Geschützt werden nach § 35 Abs. 4 SGB I auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Prange, in: jurisPK-SGB XI, § 93 Rz. 46; Krahmer/Rombey, in: LPK-SGB XI, § 93 Rz. 7). Dies sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt und Außenstehenden nicht ohne Weiteres zugänglich sind und an deren Geheimhaltung der Be...