OFD Niedersachsen, Verfügung v. 12.5.2016, S 0351 - 62 - St 142
Bei der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden nach vorausgegangener Sonderprüfung (z.B. Umsatzsteuer-Sonderprüfung oder Lohnsteuer-Außenprüfung) ist Folgendes zu beachten:
1. Allgemeines zum Umfang von Sonderprüfungen und zur Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung
Eine Sonderprüfung wirkt sich nur auf die geprüfte Steuerart und die geprüfte Steuerfestsetzung aus. Wurde z.B. bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung auch ein ertragsteuerlich relevanter Sachverhalt geprüft, so ist die Finanzbehörde nicht gehindert, im Rahmen einer Außenprüfung (§§ 193 – 203 AO) denselben Sachverhalt nochmals zu prüfen und aufgrund dieser Überprüfung die Festsetzung der Ertragsteuer aufzuheben oder zu ändern.
Dieser Grundsatz gilt auch, wenn die Sonderprüfung die Investitionszulage betraf.
Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung ist im Gesetz für den Fall, dass die Prüfung zu einer Änderung der Steuerfestsetzung führt, nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Aus dem Sinn und Zweck der Regelungen des § 164 AO ergibt sich jedoch, dass die geänderte Steuerfestsetzung dann nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen darf, wenn es sich bei der Prüfung um eine „abschließende Prüfung” im Sinne des § 164 Abs. 1 Satz 1 AO gehandelt hat. Eine Sonderprüfung stellt keine abschließende Prüfung dar, wenn sie sich auf einzelne Teilbereiche beschränkt (BFH-Urteil vom 30.4.1987, V R 29/79, BStBl 1987 II S. 486). Ob die Prüfung beschränkt war, ergibt sich aus dem Inhalt der Prüfungsanordnung.
2. Umsatzsteuer-Sonderprüfungen
Die für einen Voranmeldungszeitraum errechnete Umsatzsteuer ist eine Vorauszahlung. Die Voranmeldung und die abweichende Steuerfestsetzung stehen kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 AO).
Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ist bei Umsatzsteuer-Voranmeldungen der Vorbehalt der Nachprüfung in keinem Fall aufzuheben (§ 164 Abs. 1 Satz 2 AO). Dies gilt auch dann, wenn die Sonderprüfung nicht beschränkt war und zu keiner Änderung der Umsatzsteuer-Voranmeldung geführt hat.
Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung, die nur Voranmeldungszeiträume erfasst, wirkt sich nicht auf die Jahresumsatzsteuer aus. Deshalb tritt für die Festsetzung der Jahressteuer keine Änderungssperre im Sinne des § 173 Abs. 2 AO hinsichtlich der bereits geprüften Voranmeldungszeiträume ein. Auch können bereits geprüfte Sachverhalte bei einer Sonderprüfung oder Außenprüfung, die die Jahresumsatzsteuer zum Gegenstand hat, nochmals überprüft werden und zu einer Änderung der Jahresumsatzsteuer führen (BFH-Urteil vom 7.12.2006, V R 52/03, BStBl 2007 II S. 420).
Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung steht – wie die Umsatzsteuer-Voranmeldungen – kraft Gesetzes mit ihrem Eingang bzw. nach Zustimmung der Finanzbehörde einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Ist eine solche Steueranmeldung Gegenstand einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung und enthält die Prüfungsanordnung für diese Sonderprüfung keine Einschränkungen, so ist der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 Satz 3 AO aufzuheben, wenn die Sonderprüfung nicht zu einer Änderung der Steueranmeldung führt. Auch eine aufgrund der Sonderprüfung geänderte Steuerfestsetzung kann in diesem Fall nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Bei einer nachfolgenden Außenprüfung ist die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO zu beachten.
War dagegen die Prüfung der Jahresumsatzsteuer lt. Prüfungsanordnung auf einzelne Sachbereiche beschränkt (z.B. Prüfung lediglich des Vorsteuerabzugs, Prüfung der Exportlieferungen usw.), so braucht der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben zu werden, wenn die Prüfung zu keiner Änderung der Jahresumsatzsteuer führt. Auch eine geänderte Steuerfestsetzung kann in diesem Fall mit dem Vorbehalt der Nachprüfung versehen werden. Eine nachfolgende Außenprüfung kann eine derartige unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung in vollem Umfang nachprüfen.
Im Hinblick auf die eingeschränkten Änderungsmöglichkeiten im Rahmen einer späteren Außenprüfung sollen sich Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, die die Jahresumsatzsteuer betreffen, in der Regel nur auf einzelne Sachbereiche beschränken. Die Beschränkung ist in der Prüfungsanordnung ausdrücklich vorzusehen. Bei einer späteren Außenprüfung soll regelmäßig von der Prüfung der Sachbereiche abgesehen werden, die bereits Gegenstand der Umsatzsteuer-Sonderprüfung waren.
3. Lohnsteuer-Außenprüfungen
3.1 Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftungsschuldner
Auch Lohnsteueranmeldungen stehen kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 AO); sie haben jedoch keinen Vorauszahlungscharakter. Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung handelt es sich stets um eine abschließende Prüfung. Führt eine Lohnsteuer-Außenprüfung nicht zu einer Änderung der angemeldeten Lohnsteuer, ist deshalb der Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO aufzuheben.
Ergeben sich aufgrund der Lohnsteuer-Außenprüfung gegenüber der angemeldet...