Der BFH hat mit den Entscheidungen zu den Sperrfristen des § 6 Abs. 5 S. 4 ff. EStG einen weiteren Beitrag zur rechtssicheren Anwendung der Buchwertübertragungen einzelner Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG geleistet. Zusammenfassend lässt somit Folgendes festhalten:
Die Übertragung eines (Teil-)Mitunternehmeranteils führt nicht zu einer dreijährigen Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG. Nach Auffassung der BFH führt eine (Teil-)Anteilsübertragung nicht zu einer Übertragung des nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen einzelnen Wirtschaftsguts. Das für Mitunternehmerschaften geltende Transparenzprinzip des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ändert hieran nichts.
Nach der Entscheidung des IV. Senats des BFH vom 15.7.2021 ist klar: Sinn und Zweck der Körperschaftsklausel des § 6 Abs. 5 S. 5 EStG ist es, die im Zeitpunkt der Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG bestehenden stillen Reserven in dem Umfang rückwirkend der Besteuerung zu unterwerfen, wie sie vom Einkommen- in das Körperschaftsteuerregime wechseln. Soweit stille Reserven bereits im Körperschaftsteuerregime verhaftet sind, werden sie von der Sperrfrist nicht erfasst. Beachten Sie: In dem Zusammenhang wird aber auch klargestellt, dass ein zu Buchwerten durchgeführter Formwechsel der Oberpersonengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft grundsätzlich einen Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG auslöst. Insoweit lehnt der IV. Senat eine teleologische Reduktion der Sperrfristenregelung ab. Von § 6 Abs. 5 S. 5 EStG erfasst werden allerdings nicht die Fälle der Verkürzung oder Verlängerung der Beteiligungskette.
Wird innerhalb von sieben Jahren nach einer Übertragung i.S.d. § 6 Abs. 5 S. 3 EStG der Optionsantrag nach § 1a KStG, die Personengesellschaft wie eine Kapitalgesellschaft zu besteuern, gestellt, kann das einen Sperrfristverstoß auslösen.
Nach Ansicht des XI. Senats des BFH führt die unmittelbare oder mittelbare vollentgeltliche Veräußerung eines (Teil-)Mitunternehmeranteils an Körperschaftsteuersubjekte bei wortgetreuer Auslegung zur Verletzung der siebenjährigen Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG. Hier ist aber nach Ansicht des XI. Senats eine teleologische Reduktion in der Anwendung der Sperrfristenregelung geboten. Da die stillen Reserven in den zu Buchwerten übertragenen einzelnen Wirtschaftsgüter i.R.d. vollentgeltlichen Veräußerung realisiert werden, ist ein rückwirkender Teilwertansatz entbehrlich. Dass es hierdurch zu einem Wechsel in der Person des GewSt-Schuldners und zu einem anderen Besteuerungsjahr kommt, ist für den BFH an der Stelle unbeachtlich. Beachten Sie: Ob die teleologische Reduktion in Fällen der teilentgeltlichen Veräußerung ebenfalls anzuwenden ist, bleibt fraglich. Die Frage, ob § 6 Abs. 5 S. 6 EStG ausschließlich auf die Fälle der Verlagerung von stillen Reserven aus dem Einkommen- in das Körperschaftsteuerregime anzuwenden ist, lässt der XI. Senat ausdrücklich offen.
Wünschenswert wäre, wenn die Finanzverwaltung die vom BFH vorgegebenen Leitplanken in einem überarbeiteten Schreiben zu § 6 Abs. 5 EStG übernimmt.
Service: BFH v. 15.7.2021 – IV R 36/18, GmbH-StB 2022, 4 (Sobisch); BFH v. 18.8.2021 – XI R 43/20, GmbH-StB 2022, 166 (Sobisch) abrufbar unter steuerberater-center.de