Sichtweisen des IV. und XI. Senats des BFH in den Entscheidungen vom 15.7.2021 und 18.8.2021
[Ohne Titel]
Dipl.-Finw. Klaus Altendorf, WP/StB
§ 6 Abs. 5 S. 3 EStG – und die damit verbundene buchwertneutrale Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen verschiedenen (Sonder-)Betriebsvermögen – spielt in der steuerlichen Beratung von mittelständischen Personengesellschaften eine große Rolle. Die Vorschrift ist nicht nur eine zentrale Regelung i.R.d. Umstrukturierung von Mitunternehmerschaften, sie führt auch immer wieder zu Schwierigkeiten in ihrer Anwendung. Das gilt sowohl für die Buchwertübertragung selbst wie auch insbesondere für die in § 6 Abs. 5 S. 4 ff. EStG verankerten Sperrfristen. Der BFH hatte jüngst Gelegenheit, sich mit Fragestellungen von etwaigen Sperrfristverstößen auseinanderzusetzen. Der Beitrag erläutert die Entscheidungen vom 15.7.2021 und vom 18.8.2021 und gibt Hinweise für die Beratungspraxis.
I. Einleitung
§ 6 Abs. 5 S. 3 EStG ist eine der zentralen Vorschriften im Zusammenhang mit Umstrukturierungsvorgängen bei Mitunternehmerschaften. Die Vorschrift regelt die zwingende Buchwertübertragung für die Umstrukturierung einzelner Wirtschaftsgüter bei Mitunternehmerschaften. Hierdurch soll insbesondere die buchwertneutrale Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern
- zwischen Betriebsvermögen (BV) bzw. Sonderbetriebsvermögen (SBV) eines Mitunternehmers und "seiner" Mitunternehmerschaft sowie
- zwischen SBV verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft
ermöglicht werden.
Voraussetzung für die buchwertneutrale Übertragung ist, dass diese
- unentgeltlich oder
- gegen Gewährung bzw. Minderung von Gesellschaftsrechten
erfolgt.
Beraterhinweis Streitig ist immer noch, ob die unmittelbare Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zulässig ist.
Einschränkungen der Buchwertübertragung in § 6 Abs. 5 S. 4 ff. EStG: Die Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG erfährt allerdings in § 6 Abs. 5 S. 4 ff. EStG Einschränkungen, die innerhalb bestimmter Sperrfristen zu einem rückwirkenden Teilwertansatz für die ursprüngliche Buchwertübertragung führen.
Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG: Hierdurch soll verhindert werden, dass stille Reserven vor einer Realisation gezielt auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Mithin kommt es nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG zu einem rückwirkenden Ansatz des Teilwerts, wenn das übertragende Wirtschaftsgut innerhalb von drei Jahren nach Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden veräußert oder entnommen wird und dem übertragenden Gesellschafter die stillen Reserven im Zuge der Übertragung nicht durch Erstellung einer Ergänzungsbilanz zugeordnet geblieben sind.
Körperschaftsklausel in § 6 Abs. 5 Sätze 5 und 6 EStG: Die Sperrfrist des Satzes 4 wird hierdurch um Sondertatbestände für den Fall der Beteiligung von Körperschaften ergänzt. Damit soll verhindert werden, dass stille Reserven auf Körperschaftsteuersubjekte – insbesondere Kapitalgesellschaften – übertragen werden. Danach
- ist die Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 S. 5 EStG insoweit ausgeschlossen, wie durch die Übertragung der Anteil einer Körperschaft an dem Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht;
- kommt es nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG zu einem rückwirkenden Teilwertansatz der ursprünglichen Buchwertübertragung, soweit sich innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung des Wirtschaftsguts aus anderem Grund der Anteil einer Körperschaft an dem Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar erhöht.
Zweck dieser Regelung ist, dass es verhindert werden soll, dass stille Reserven unversteuert vom Einkommensteuerregime in das Körperschaftsteuerregime wechseln. Diese könnten sonst im Anschluss von der Körperschaft steuerfrei nach § 8b KStG realisiert und daraufhin nach § 3 Nr. 40 EStG nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens an die Gesellschafter ausgeschüttet werden.Beachten Sie: Im Gegensatz zu Satz 4 schließt die Zuordnung der stillen Reserven durch Bildung von Ergänzungsbilanzen die Rechtsfolge des Satzes 5 nicht aus, da diese Möglichkeit dort nicht erwähnt ist. Anders als bei der dreijährigen Sperrfrist nach Satz 4 beginnt die siebenjährige Sperrfrist mit der Übertragung selbst – und ist somit unabhängig von der Abgabe von Steuererklärungen.
Beraterhinweis In der jüngeren Vergangenheit hat der BFH in zwei Entscheidungen bereits eine teleologische Reduktion in Bezug auf § 6 Abs. 5 S. 4 EStG vorgenommen. In beiden Fällen ging es um die Frage der Sicherstellung der Zuordnung der stillen Reserven im übertragenen Wirtschaftsgut zum Übertragenden. Nach Ansicht des BFH ist dies in den Fällen der sog. Ein-Mann-GmbH & Co. KG auch ohne Bildung von Ergänzungsbilanzen gegeben.