Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 135
Der Steuerpflichtige hat die Möglichkeit, bis zur Rechtskraft des Feststellungsbescheids dem Finanzamt gegenüber einen unter dem Ertragswert bzw. Mindestwert liegenden Verkehrswert seines Grundstücks nachzuweisen. Der nachgewiesene Wert wird nur dann angesetzt, wenn er niedriger ist als der Steuerwert ach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG. Sofern der Verkehrswert höher ist, bleibt es bei der steuerlichen Ertragsbewertung.
Rz. 136
Sollte ein stichtagsnaher Kaufpreis vorliegen oder ein Gutachterwert z.B. für die Erbauseinandersetzung ermittelt worden sein, sollte stets geprüft werden, ob dieser Wert niedriger ist als der Grundstückswert, ermittelt nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG. Lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten, ist es empfehlenswert, den Grundstückswert nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen vom Finanzamt feststellen zu lassen, um anschließend diesen Wert mit dem vorliegenden Kaufpreis bzw. Gutachterwert zu vergleichen. Sollte der tatsächliche Wert unter dem Steuerwert liegen, besteht im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Feststellungsbescheid die Möglichkeit, den Grundstückswert auf der Grundlage eines nachgewiesenen niedrigeren Verkehrswerts feststellen zu lassen.
Ohne Kenntnis des Grundstückswerts nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG wird der Kaufpreis bzw. Gutachterwert in der Praxis regelmäßig nicht in der Feststellungserklärung angegeben. Obwohl ein solcher Wert nach dem Gesetzeswortlaut nicht dazu führt, dass der steuerliche Grundstückswert höher angesetzt werden kann, wird in der Praxis befürchtet, dass sich das Finanzamt bei Durchführung des Ertragswertverfahrens an dem tatsächlichen Verkehrswert des Grundstücks orientiert, z.B. bei der Ermittlung der üblichen Miete. Dies gilt insbesondere für ein Gutachten, in dem der Verkehrswert anhand des Ertragswertverfahrens, also unter Ansatz einer Miete, berechnet wurde.
Rz. 137
Soll allein für den Nachweis nach § 146 Abs. 7 BewG i.d.F. vor dem Jahressteuergesetz 2007 oder nach § 138 Abs. 4 BewG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 ein Gutachten erstellt werden, sollte der Steuerpflichtige wegen der damit verbundenen Kosten abwägen, ob sich aufgrund des Nachweises eine hinreichende Entlastung bei der Erbschaft- oder Schenkungsteuer erreichen lässt. Hiervon kann im Allgemeinen in folgenden Fällen ausgegangen werden:
- Aufgrund von Baumängeln oder Bauschäden, ungewöhnlich starken Beeinträchtigungen durch Lärm, Rauch oder Gerüche, der Unterschutzstellung eines Gebäudes als Baudenkmal sowie in den Fällen des baldigen Abbruchs nach dem Besteuerungszeitpunkt kann sich, insbesondere bei Kumulation der Ermäßigungstatbestände, eine erhebliche Wertminderung ergeben, die in der Miete nur unzureichend sowie im Vervielfältiger und bei der Alterswertminderung überhaupt nicht zum Ausdruck kommt.
- Aufgrund der Angaben der Maklerverbände ist davon auszugehen, dass der Einheitsvervielfältiger von 12,5 bei Wohngrundstücken im Beitrittsgebiet sowie in ländlichen Bereichen der alten Bundesländer über den in dieser Gegend üblichen Vervielfältiger hinausgehen kann. Dies kann auch für Büro- und Geschäftshäuser, Selbstbedienungs- und Fachmärkte, Einkaufszentren sowie Gewerbeflächen an der Peripherie einer Großstadt gelten.
- Ein Nachweis kann sich auch dann lohnen, wenn mit dem Finanzamt keine Einigung über den Ansatz der üblichen Miete zu erreichen ist und deshalb zur Stützung der Rechtsposition ein Mietgutachten erstellt werden müsste. Hier sollte in den Fällen, in denen der Kapitalisierungsfaktor nach der WertV unter dem Einheitsvervielfältiger von 12,5 liegt, ein Gutachten über den Grundstückswert mit eventuellen wertmindernden Abschlägen eingeholt werden, bei dem die Kosten nicht wesentlich höher sein dürften als bei einem Mietgutachten.
Zu den Kosten eines Gutachtens vgl. Anm. 104.