Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 75
Die Höhe des Börsenkurses bei Aktien ergibt sich aus den im Zeitpunkt der Kursbildung vorhandenen Verhältnissen von Angebot und Nachfrage. Der Kurs wird jedoch von allgemeinen politischen Ereignissen, Entwicklungen und Tendenzen sowie von Erwartungen und spekulativen Einflüssen bestimmt. Der Börsenkurs kann deshalb von dem wahren Wert der Aktie mehr oder weniger abweichen. Dies nimmt der Erwerber einer konkreten Aktie zwar in Kauf. Unternehmen derselben Branche sind nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar. Deshalb kann aus Börsenkursen für Aktien von Gesellschaften einer bestimmten Branche für die Bewertung nicht notierter Aktien einer anderen Gesellschaft derselben Branche nichts hergeleitet werden.
Rz. 76
Ausnahmsweise werden nichtnotierte Aktien mit dem Börsenkurs bewertet, der für Aktien derselben Gesellschaft festgestellt wurde, die an der Börse gehandelt werden. Dies ist dann möglich, wenn nur ein Teil der Aktien derselben Gattung zum Börsenhandel zugelassen ist. In diesem Fall können auch die nicht an der Börse gehandelten Aktien dieser Gattung mit dem Kurswert der an der Börse umgesetzten Aktien bewertet werden.
Rz. 77
Sind zwei Aktiengattungen vorhanden, nämlich Stammaktien und Vorzugsaktien, von denen nur eine Gattung an der Börse gehandelt wird, so kann – anders als bei einer Beschränkung der Börsenzulassung auf einen Teil einer einzigen Gattung – der Kurswert der börsennotierten Gattung nicht für die an der Börse nicht gehandelte Gattung angesetzt werden. Der Börsenpreis der börsennotierten Gattung kann jedoch einen Verkaufspreis i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG liefern, aus dem der gemeine Wert der anderen Gattung abgeleitet werden kann. Entscheidend ist, dass es sich bei beiden Aktiengattungen um Anteile an derselben Gesellschaft handelt und nicht um Anteile an unterschiedlichen Gesellschaften. Wenngleich gegen diese Entscheidung formale Bedenken erhoben werden können, so entspricht sie materiell der gesetzlichen Rangfolge der Bewertungsmaßstäbe (Börsenkurs-Verkaufspreis-Schätzung des gemeinen Werts) und damit der Steuergerechtigkeit. Eine Bewertung der an der Börse nichtnotierten Aktiengattung nach dem Stuttgarter Verfahren würde zu verzerrten Werten führen und ein aufgrund der Vorgabe des BewG unverständliches Spannungsverhältnis zwischen den Werten der beiden Aktiengattungen erzeugen.
Rz. 78
Geht man mit dem o.a. BFH-Urteil vom 9.3.1994 davon aus, dass auch der amtlich festgestellte Börsenpreis (Börsenkurs) ein Verkaufspreis ist, aus dem der Wert einer an der Börse nicht gehandelten Aktiengattung derselben Gesellschaft abgeleitet werden kann, so führt dies zu der Einschränkung, dass nur "Bezahlt-Kurse" (s. oben Anm. 61 und 63) für die Ableitung des gemeinen Werts herangezogen werden können. Wenn innerhalb von 30 Tagen vor dem Bewertungsstichtag keine "Bezahlt-Kurse" festgesetzt worden sind, ist maßgebend der innerhalb des letzten Jahres vor dem Bewertungsstichtag diesem zeitlich am nächsten liegende Bezahlt-Kurs.
Rz. 79
Werden börsennotierte Inhaberschuldverschreibungen gemäß § 806 BGB in Namensschuldverschreibungen umgeschrieben, so können diese Namensschuldverschreibungen dagegen nicht mit dem Kurs für die nicht umgeschriebenen Stücke bewertet werden; es handelt sich sodann um verbriefte Kapitalforderungen, für die die Forderungsbewertung nach § 12 BewG maßgebend ist.
Rz. 80
Pfandbriefe mit persönlicher Sonderausstattung, für die Kursnotierungen nicht vorliegen, sind gemäß § 12 BewG in Anlehnung an die Kursnotierungen vergleichbaren Pfandbriefe zu bewerten. Nach dieser Entscheidung gelten die Überlegungen des BFH-Urteils vom 12.12.1975, dass bei der Anteilsbewertung ein Vergleich mit den Börsenkursen der Aktien von Unternehmen derselben Branche nicht möglich ist, nicht in gleicher Weise auch für Pfandbriefe; denn Pfandbriefe verbriefen Forderungsrechte, Aktien dagegen Mitgliedschaftsrechte. Hinzu kommt, dass Pfandbriefe grundsätzlich untereinander vergleichbar sind.
Rz. 81– 82
Einstweilen frei.