Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 11
Die Ermittlung des Rohertrags richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen, die am Bewertungsstichtag gelten. Mithin gelten die Verhältnisse, die am Bewertungsstichtag tatsächlich vorliegen. Der am Bewertungsstichtag maßgebende Rohertrag ist auf einen Zeitraum von zwölf Monaten um- oder hochzurechnen. Mit dieser gesetzlichen Vorgabe kommt es bei der Ermittlung des Rohertrags also nicht auf eine subjektiv prognostizierte Ertragserwartung an. Allein maßgebend ist der Befund der vertraglichen Vereinbarung am Bewertungsstichtag.
a) Zwölf-Monats-Zeitraum
Rz. 12
Es ist nicht vorgesehen, den Rohertrag rückschauend zu ermitteln. Ebenso wenig ist es zulässig, den erwarteten Ertrag anhand einer Prognose anzusetzen. Stattdessen muss der am Bewertungsstichtag vertraglich vereinbarte Rohertrag auf einen – abstrakten – Zeitraum von zwölf Monaten umgerechnet werden.
Beispiel
Ein Grundstück wird seit fünf Jahren unverändert zu einer Miete von 10 EUR/m[2] vermietet. Einen Monat vor der Übertragung des Grundstücks von Todes wegen hatte der Erblasser eine Mieterhöhung auf 11,50 EUR/m[2] durchgesetzt.
Bei der Bewertung ist ein Jahresrohertrag auf der Basis von 11,50 EUR/m[2] zu ermitteln, weil dieses Entgelt nach den vertraglichen Vereinbarungen am Bewertungsstichtag für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist. Die ursprüngliche Vermietung zu einem Preis von 10 EUR/m[2] ist nicht zu berücksichtigen.
Rz. 13
Wird ein Grundstück unentgeltlich übertragen und unmittelbar nach dem Erwerb die bisherige Miete erhöht, kann die Mieterhöhung nicht in den Rohertrag einbezogen werden, weil die Mieterhöhung am Bewertungsstichtag noch nicht Bestandteil der vertraglichen Vereinbarungen war. Insofern können nur die bis zum Bewertungsstichtag verwirklichten Tatbestände Berücksichtigung finden. Nach dem Bewertungsstichtag eintretende Umstände schlagen bei der Ermittlung des Rohertrags nicht durch.
Rz. 14
Die Maßgeblichkeit des Bewertungsstichtags schließt nicht nur die Berücksichtigung von vertraglichen Vereinbarungen aus, die sich nach dem Bewertungsstichtag ändern. Auch hinsichtlich des tatsächlichen Zustands oder der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks muss im Einzelfall entschieden werden, ob sich diese Umstände auf den Rohertrag iS des § 186 Abs. 1 BewG auswirken. Wird ein Grundstück oder ein Teil davon am Bewertungsstichtag wegen Modernisierungsarbeiten nicht vermietet, ist nicht die vor der Modernisierung tatsächlich vereinbarte Miete anzusetzen, sondern die übliche Miete. Denn am Bewertungsstichtag sind wegen des Leerstands die Voraussetzungen für den Ansatz der üblichen Miete nach § 186 Abs. 2 Nr. 1 BewG erfüllt. Beim Ansatz der üblichen Miete ist von dem Zustand des Grundstücks oder Grundstücksteils auszugehen, der vor der Modernisierung vorgelegen hat. Somit werden auch in diesem Fall nur Tatbestände berücksichtigt, die am bzw. bis zum Bewertungsstichtag verwirklicht sind.
Rz. 15– 16
Einstweilen frei.
b) Der Höhe nach gestaffelte Miete
Rz. 17
Sehen die vertraglichen Vereinbarungen am Bewertungsstichtag vor, dass die Miete in der Zukunft in unterschiedlich hohen Beträgen zu zahlen ist, muss dies wegen der Verbindlichkeit der vertraglichen Vereinbarung bei der Ermittlung des Rohertrags berücksichtigt werden. Denn die schuldrechtliche Wirkung der vereinbarten Miete existiert bereits zum Bewertungsstichtag.
Rz. 18
Das gilt auch, wenn am Bewertungsstichtag vertraglich Vorauszahlungen auf die künftig zu entrichtende Miete vereinbart sind.
aa) Mietvorauszahlung
Rz. 19
Der GV-Erlass vom 5.5.2009 gibt Anhaltspunkte zu der Frage, wie der Rohertrag zu ermitteln ist, wenn die Vertragsparteien für eine bestimmte Anzahl von Jahren nur deshalb eine relativ niedrige Miete vereinbart haben, weil zu Beginn des Mietverhältnisses – der aus der Sicht des Bewertungsstichtages in der Vergangenheit liegt – eine erhebliche Vorauszahlung zu leisten war. Dies kann jedenfalls aus dem Beispiel in H 14 des GV-Erlasses vom 5.5.2009 zur Frage der Berücksichtigung von Mietvorauszahlungen geschlossen werden. ME muss die geleistete Vorauszahlung bei der Ermittlung des Rohertrags einbezogen werden, weil die niedrige Miete am Bewertungsstichtag nicht ohne die Vorauszahlung vereinbart worden wäre.
Rz. 20
H 14 des GV-Erlasses vom 5.5.2009 enthält zur Frage der Berücksichtigung von Mietvorauszahlungen das folgende Beispiel:
V vermietet als Eigentümer langfristig ein Geschäftsgrundstück.
Zwecks Finanzierung notwendiger Modernisierungsmaßnahmen vereinbaren die Vertragsparteien neben der Zahlung der monatlichen Miete iH von 2 000 EUR für den Zeitraum von 5 Jahren (60 Monaten) ab dem 1.2.2008 zusätzlich ei...