Rz. 6
§ 3 Abs. 1 ErbStG bestimmt, welche Vorgänge als Erwerb von Todes wegen gelten. Zwischen welchen Personen diese Erwerbe stattfinden, wird nicht ausdrücklich gesagt und muss aus der Art des Erwerbs erschlossen werden. Umgekehrt bestimmt Abs. 2 der Vorschrift, was "auch" als vom Erblasser zugewendet gilt, ohne ausdrücklich zu sagen, dass die Zuwendung steuerbar ist. Trotz des unterschiedlichen Wortlauts meinen beide Absätze das Gleiche. Sie setzen nur unterschiedliche Akzente. Sie bestimmen sowohl die Erwerbstatbestände als auch die daran Beteiligten.
Rz. 7
Unter einem Erwerb von Todes wegen ist ein Erwerb zu verstehen, der in einer bestimmten Weise mit dem Tod eines Anderen verknüpft ist: Der Erwerb erfolgt beim Tod des Anderen aufgrund eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Erwerbsrechts. Außerdem muss der Erwerbsberechtigte beim Tod des Anderen noch am Leben sein (vgl. §§ 1923 Abs. 1, 2108, 2160, 2301 BGB).
Rz. 7a
Zwischen dem Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und dem nicht steuerbaren Erwerb aufgrund eines Erbfalls ist zu unterscheiden. Im Urteilsfall des BFH übertrug der Erblasser ein Grundstück an eine Dritte, die sich im Gegenzug verpflichtete, den Erblasser bis zu seinem Tod zu pflegen. Nach Eintritt des Erbfalls verlangte der Alleinerbe die Herausgabe des Grundstücks. Das Zivilgericht urteilte, dass die Übertragung des Grundstücks auf die Beklagte eine gemischte Schenkung gewesen sei, denn der Erblasser habe zum Teil eine Gegenleistung in Form der Pflege durch die Beklagte erhalten. Den Wert der unentgeltlichen Leistung habe sie aber an den Kläger auszukehren. Die Parteien einigten sich vergleichsweise auf die Zahlung von 100.000 EUR. Das FA vertrat die Auffassung, der Alleinerbe habe diesen Betrag von Todes wegen erworben und setzte entsprechend Erbschaftsteuer fest. Nach Ansicht des BFH hat der Steuerpflichtige die Vergleichszahlung i.H.v. 100.000 EUR nicht von Todes wegen i.S.d. § 3 Abs. 1 ErbStG erworben, denn es liege kein Erwerb "durch Erbanfall" vor. Nicht einmal der Anspruch auf Zahlung dieses Betrags sei dem Alleinerben auf diese Weise zugefallen. Vielmehr entstand dieser Anspruch erst in seiner Person, sodass er zivilrechtlich nicht zum Nachlass gehöre. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG könne nicht dahin ausgedehnt werden, dass jeder Erwerb erfasst sein soll, der auf dem Rechtsvorgang nach § 1922 BGB beruhe. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht ist bei der steuerlichen Behandlung von Vergleichszahlungen in Erbfällen Vorsicht angebracht, da diese zu Unrecht der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 ErbStG zugrunde gelegt werden.