Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 16
Handelt es sich bei einem Gebäude, das nicht von dem Grundstückseigentümer errichtet worden ist, um einen Scheinbestandteil, ist für den Grund und Boden und das Gebäude im Bedarfsfall eine Bewertung nach § 148a BewG durchzuführen. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Scheinbestandteils bestimmen sich ausschließlich nach dem Zivilrecht. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich bei dem Scheinbestandteil um einen Bestandteil eines Grundstücks, der nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden worden ist. Dies ist in erster Linie nach dem Willen des Herstellers zu beurteilen, sofern dieser mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen ist. Verbindet ein Mieter, Pächter oder ein in ähnlicher Weise schuldrechtlich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden, spricht i.d.R. eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht. Diese Vermutung wird nicht bereits durch eine massive Bauart des Bauwerks oder eine lange Dauer des Vertrags entkräftet. Ein vom Mieter oder Pächter eines Grundstücks errichtetes massives Gebäude fällt demnach nicht in das Eigentum des Grundstückseigentümers, wenn der Miet- oder Pachtvertrag bestimmt, dass der Mieter bzw. Pächter das von ihm errichtete Gebäude nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses zu entfernen und den früheren Zustand wieder herzustellen hat und der tatsächliche Vollzug einer solchen vertraglichen Verpflichtung von den Beteiligten von Anfang an ernst gewollt ist.
Rz. 17
Von einem Scheinbestandteil nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auch auszugehen, wenn ein Nießbraucher ein Gebäude auf einem zu seinen Gunsten mit einem Nießbrauch belasteten Grundstück baut. Denn Gebäude gehören nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB dann nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks, wenn das Gebäude in Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist. Zu den vorgenannten Rechten gehört insbesondere der Nießbrauch i.S. der §§ 1030 ff. BGB. Laut BFH v. 7.9.2012 genügt es dabei, dass die Verbindung des Gebäudes oder anderen Werks mit dem Grundstück durch den Nießbraucher erfolgt. Der Inhalt und der Zweck des Rechts an einem fremden Grundstück brauchen nicht auf die Herbeiführung der Verbindung abgestellt zu sein.
Anders verhält es sich, wenn das Nießbrauchsrecht erst nach der Errichtung des Gebäudes bestellt wird. Das Gebäude ist kein Scheinbestandteil, sondern vielmehr wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und damit grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen. Nur wenn der Nießbraucher aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung (vgl. Anm. 23–25) "die tatsächliche Herrschaft über das Grundstück ausübt" und über die Substanz des belasteten Grundstücks verfügen kann (Wertminderung bzw. -steigerung), kann wirtschaftliches Eigentum angenommen werden.