Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
Rz. 50
Das Bewertungsgesetz beruht auf dem statischen Prinzip. Dieser Grundsatz kommt im Gesetz dadurch zum Ausdruck, dass bei der Einheitsbewertung die Verhältnisse zum Beginn eines Kalenderjahrs zugrunde zu legen sind. Bei der Einheitsbewertung sind dies neben dem Hauptfeststellungszeitpunkt noch der Fortschreibungszeitpunkt (§ 22 Abs. 4 BewG), der Nachfeststellungszeitpunkt (§ 23 Abs. 2 BewG) und der Aufhebungszeitpunkt (§ 24 Abs. 2 BewG).
Rz. 51
Der Einfachheit halber wird vom "Stichtag" und dem "Stichtagsprinzip" gesprochen. Diese Ausdrucksweise ist ungenau, sie wird jedoch von Rspr. und Literatur als Ausdruck des statischen Prinzips im Bewertungsrecht verwendet. Nach diesem Stichtagsprinzip können jeweils nur die Verhältnisse berücksichtigt werden, die zu Beginn des maßgebenden Zeitpunkts bereits eingetreten sind. Tatsachen, die erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind, müssen außer Betracht bleiben. Die rückschauende Betrachtungsweise ist deshalb grundsätzlich unzulässig. Das bedeutet z.B., dass auch bei Neubauten die für den Hauptfeststellungszeitpunkt ermittelten Vergleichsmieten anzusetzen sind, auch wenn sich das neue Gebäude in Bauart, Ausgestaltung und Wohnwert deutlich vom damaligen Niveau unterscheidet und eigentlich nicht vergleichbar ist. Eine Zurückrechnung der bei der Bewertung im Ertragswertverfahren zugrunde zu legenden Mieten aus aktuellen Mietspiegeln ist daher nicht zulässig.
Rz. 52
Nur Umstände, die am Stichtag bereits vorhanden waren, aber erst nach dem Stichtag bekannt geworden sind, dürfen berücksichtigt werden, wenn sie durch eine Prüfung der in Betracht kommenden Verhältnisse am Stichtag hätten festgestellt werden können. Nach dem Stichtag bekannt gewordene Verhältnisse dürfen also nur berücksichtigt werden, wenn sie am Stichtag bereits bestanden haben, ein gleich gebliebener Sachverhalt somit nur geklärt bzw. aufgehellt wurde.
Rz. 53
Die teilweise auch von der Rspr. früher vertretene Auffassung, dass ausnahmsweise auch nach dem Stichtag liegende Ereignisse für die auf den Beginn des Stichtags abzustellende Beurteilung herangezogen werden dürfen, wenn sie nicht allzu lange nach dem Stichtag liegen, widerspricht dem Stichtagsprinzip und ist grundsätzlich abzulehnen.
Rz. 54
Eine Ausnahme gilt nur in den vom Gesetz selbst zugelassenen Fällen. Hierzu ist auf § 15 Abs. 3 BewG über die Ermittlung des Jahreswertes bei Nutzungen und Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, hinzuweisen. Da nach § 15 Abs. 3 BewG der Betrag anzusetzen ist, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt wird, können hier auch am Stichtag voraussehbare Umstände berücksichtigt werden. Für das Eintreten dieser Umstände müssen aber zum Stichtag konkrete Anhaltspunkte bestehen.
Rz. 55
Tritt eine Änderung in der Art, dem Wert oder der Zurechnung des zu bewertenden Wirtschaftsguts am Beginn eines Fortschreibungszeitpunkts ein, so ist die Fortschreibung auf diesen Stichtag vorzunehmen. Was für den Fortschreibungszeitpunkt gilt, gilt auch für den Hauptfeststellungszeitpunkt. Tritt das für die Bewertung maßgebende Ereignis zu Beginn des Kalenderjahrs, nicht erst im Laufe des 1. Januar ein, so ist bereits nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 2 BewG dieses Ereignis zu berücksichtigen.
Rz. 56– 58
Einstweilen frei.