Hans-Werner Högl, Friedemann Kirschstein
Rz. 151
Mit der Regelung des § 10 Abs. 6 ErbStG soll eine doppelte Begünstigung steuerfreien Vermögens verhindert werden, nämlich einerseits deren Steuerbefreiung und andererseits der Schuldenabzug von mit diesem Vermögen in Zusammenhang stehenden Schulden. Fallen Vermögensgegenstände nicht oder nur teilweise in den steuerpflichtigen Erwerb, wird deshalb der Abzug von Schulden, die mit diesem Vermögen in Zusammenhang stehen, ganz oder teilweise versagt. Damit entspricht die Vorschrift dem Gedanken des Nettoprinzips, wie er auch in § 3c Abs. 1 EStG zum Ausdruck kommt.
Rz. 152
Übersteigen die Schulden und Lasten den Steuerwert des steuerfreien Vermögens, entsteht durch das Abzugsverbot der Schulden kein negativer Erwerb. Eine Verrechnung negativen Vermögens mit positiven Vermögenswerten scheidet folglich aus. Um diese für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge zu verhindern, sieht das Gesetz in § 13 Abs. 3 Satz 2 ErbStG vor, dass der Steuerpflichtige in den dort vorgesehenen Fällen auf die Steuerfreiheit des erworbenen Vermögens verzichten kann. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die Verzichtsmöglichkeit auch auf die nicht ausdrücklich geregelten Fälle ausgedehnt werden müsse.
Rz. 153
Fällt die Steuerbefreiung einer Zuwendung nachträglich ganz oder teilweise weg, sei es durch die Verzichtserklärung des Steuerpflichtigen, sei es aufgrund anderer Umstände (z.B. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, Nr. 13 Satz 3, Nr. 16 Buchst. b Satz 2 ErbStG), ist der Abzug der Schulden und Lasten rückwirkend ganz oder teilweise anzuerkennen. Der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.
Rz. 154
§ 10 Abs. 6 ErbStG enthält drei Fallgruppen: Ist ein Vermögensgegenstand in voller Höhe von der Erbschaftsteuer befreit, ist der Schuldenabzug nach Satz 1 komplett ausgeschlossen. Ist das Vermögen nur teilweise von der Steuer befreit, wird der Schuldenabzug unter den Voraussetzungen der Sätze 3 bis 11 auch nur teilweise zugelassen. § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG regelt den umgekehrten Fall, nämlich die Herstellung des Schuldenabzugs im Zusammenhang mit inländischem Vermögen, das im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert wird.
Rz. 155
Dem strengen Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nach, der nur auf § 3 und nicht auch auf § 7 ErbStG verweist, fände § 10 Abs. 6 ErbStG nur auf Erwerbe von Todes wegen Anwendung. Es ist jedoch anerkannt, dass die Vorschrift des § 10 Abs. 6 ErbStG auch für Schenkungen unter Lebenden gilt.
Rz. 156– 159
Einstweilen frei.