Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 25
Mietwohngrundstücke sind stets im Ertragswertverfahren zu bewerten. Sollte wegen einer unentgeltlichen Überlassung oder Eigennutzung eines Mietwohngrundstücks keine tatsächliche Miete vorhanden sein und sich keine ortsübliche Miete ermitteln lassen, muss die übliche Miete geschätzt werden. Nach dem Wortlaut des § 182 Abs. 3 Nr. 1 BewG können Mietwohngrundstücke ausschließlich im Ertragswertverfahren bewertet werden. Deshalb kommt die Finanzverwaltung in diesen – erwartungsgemäß seltenen Fällen – an der Schätzung der üblichen Miete nicht vorbei.
a) Mischfälle
Rz. 26
Eine andere Ausgangslage liegt vor, wenn ein Gebäude, das wie ein Mietwohngrundstück gestaltet ist, zu einer wirtschaftlichen Einheit gehört, auf dem sich auch Gebäude befinden, für die sich keine übliche Miete ermitteln lässt. In diesen Fällen ist weder eine Schätzung der üblichen Miete noch eine Bewertung im Ertragswertverfahren möglich. In diesen Fällen ist das Sachwertverfahren anzuwenden.
Rz. 27
Beispiel
Auf einem Gewerbegrundstück befindet sich ein Gebäude, in dem sich drei Wohnungen (Wohnfläche insgesamt 300 qm) befinden, die von den Betriebsinhabern des Gewerbebetriebs bewohnt werden. Der Gewerbebetrieb wird in einem separaten Gebäude (Nutzfläche insgesamt 700 qm) betrieben. Die Geschäftsräume und das Wohngebäude bilden eine wirtschaftliche Einheit, weil sie aus baurechtlichen Gründen nicht getrennt veräußert werden können.
Baulich entspricht das Wohngebäude – isoliert nach der Definition des § 181 Abs. 3 BewG betrachtet – einem Mietwohngrundstück, weil es über mehr als zwei Wohnungen verfügt. Da das Wohngebäude in dem vorstehenden Sachverhalt jedoch zu der wirtschaftlichen Einheit des Gewerbegrundstücks gehört, das über eine Wohn-/Nutzflächenverhältnis von 30 : 70 verfügt, handelt es sich um ein gemischt genutztes Grundstück (§ 181 Abs. 7 BewG).
Dies führt dazu, dass das Wohngebäude, bei dem es sich isoliert betrachtet um eine Mietwohngrundstück handeln würde, nicht im Ertragswertverfahren zu bewerten ist, weil für die wirtschaftliche Einheit insgesamt nicht die Grundstücksart "Mietwohngrundstück", sondern "gemischt genutztes Grundstück" maßgebend ist.
b) Maßgeblichkeit der Miete
Rz. 28
Derartige wirtschaftliche Einheiten sind baurechtlich häufig in Gewerbegebieten anzutreffen, bei denen neben den gewerblich genutzten Gebäuden nur solche Wohngebäude errichtet werden dürfen, die als Betriebsinhaberwohnhaus genutzt werden. Eine getrennte Veräußerung von Wohngebäude und Gewerbegebäuden ist baurechtlich ausgeschlossen, so dass zwingend insgesamt eine wirtschaftliche Einheit vorliegt.
Vgl. hierzu auch "Ausschluss von Mischverfahren", Anm. 44, bei der sich mit den ErbStR 2011 eine geänderte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung ergeben hat.