Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 431
Das Wohnungseigentum ist stets nach dem Ertragswertverfahren unter Ansatz der durchschnittlichen Jahresmiete, bei Eigennutzung und bei vergleichbarer Nutzung i.S. des § 146 Abs. 3 Satz 1 BewG unter Ansatz der üblichen Miete, vervielfacht mit 12,5, zu bewerten. Bei Teileigentum, das vermietet ist, ist der Grundstückswert ebenfalls nach dem Ertragswertverfahren zu ermitteln. Bei der Alterswertminderung ist von der Fertigstellung der Wohnanlage und nicht vom Zeitpunkt der Aufteilung der Anlage in Wohnungseigentum auszugehen. Ist z.B. die Wohnanlage im Jahre 1974 fertiggestellt worden und die Aufteilung in Eigentumswohnungen im Jahre 1986 erfolgt, so ist für die Berechnung der Alterswertminderung vom Fertigstellungsjahr 1974 auszugehen.
Rz. 432
Bei Eigentumswohnungen stellt sich die Frage, ob ein Zuschlag i.H.v. 20 % wie bei Wohngrundstücken mit nicht mehr als zwei Wohnungen vorzunehmen ist. Der Gesetzeswortlaut lässt diese Frage offen. Sieht man die Eigentumswohnung als bebautes Grundstück an, könnte § 146 Abs. 5 BewG darauf hindeuten, dass stets dann ein Zuschlag erforderlich ist, wenn die Eigentumswohnung über nicht mehr als zwei Wohnungen verfügt und darüber hinaus ausschließlich Wohnzwecken dient. Sieht man dagegen die Wohnanlage als bebautes Grundstück an, kommt man zu dem Ergebnis, dass nur bei einer Wohnanlage mit nicht mehr als zwei Wohnungen und ausschließlicher Nutzung zu Wohnzwecken ein Zuschlag gerechtfertigt ist. Bei Wohnanlagen, die über mehr als zwei Wohnungen verfügen, sowie bei einer Wohnanlage, die aus Wohnungs- und Teileigentum besteht, würde dagegen kein Zuschlag in Betracht kommen.
Rz. 433
Für den Verzicht auf die Vornahme eines Zuschlags bei Eigentumswohnungen spricht die Begründung im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags:
"Zudem ist der Grundstücksanteil bei Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern naturgemäß i.d.R. höher, ohne dass sich dieser auf die Miete auswirkt. Bei der Ermittlung des Restwerts muss dies jedoch berücksichtigt werden. In Annäherung an die 1964 festgestellten Unterschiede wurde hier für Ein- und Zweifamilienhäuser ein Zuschlag ... vorgesehen."
Die Gründe für den Zuschlag bestehen somit in einer größeren Grundstücksfläche im Vergleich zu anderen Renditeobjekten und in der Fortführung der Differenzierung bei der Einheitsbewertung 1964. Der Grundstücksanteil, der der Eigentumswohnung zuzurechnen ist, entspricht in etwa dem, was bei einem Mietwohngrundstück als Grundstücksanteil auf die einzelne Mietwohnung entfällt. Da bei einem Mietwohngrundstück wegen der Größe der Grundstücksfläche kein Zuschlag anzusetzen ist, dürfte folgerichtig auch bei Eigentumswohnungen ein solcher Zuschlag nicht in Betracht kommen. Bei der Einheitsbewertung 1964 werden Ein- und Zweifamilienhäuser mit Vervielfältigern bewertet, die ca. 20 % über den Vervielfältigern für Mietwohngrundstücke liegen. Eigentumswohnungen werden dabei wie Mietwohngrundstücke bewertet. Auch dies lässt den Schluss zu, dass in Anlehnung an die Einheitsbewertung 1964 für Eigentumswohnungen grundsätzlich kein Zuschlag vorzunehmen ist.
Rz. 434
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass bei Eigentumswohnungen grundsätzlich kein Zuschlag zu berücksichtigen ist. Nur in den Fällen, in denen das Wohnungseigentum baulich wie ein Einfamilienhaus gestaltet ist oder in einer Wohnanlage gelegen ist, die nur aus zwei Eigentumswohnungen besteht, kommt in Anlehnung an die Regelung für Ein- und Zweifamilienhäuser ein Zuschlag von 20 % in Betracht.
Rz. 435
Der für das Wohnungseigentum ermittelte Ertragswert darf nicht geringer sein als der Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG. Der Mindestwert errechnet sich aus dem Grundstücksanteil, der zu dem Wohnungseigentum gehört, vervielfacht mit dem um 20 % ermäßigten Bodenrichtwert, der ggf. zur Anpassung des zu bewertenden Grundstücks an die Merkmale des Bodenrichtwertgrundstücks zu korrigieren ist.
Beispiel
Eine Eigentumswohnung befindet sich in einer Wohnanlage, die am 8.2.1979 fertiggestellt worden ist. Die Wohnanlage besteht aus 10 Eigentumswohnungen. Die Wohnfläche der zu bewertenden Eigentumswohnung beträgt 96 m2. Zu der Eigentumswohnung gehört ein Grundstücksanteil von 85 m2. Besteuerungszeitpunkt ist der 5.5.2007. Die Eigentumswohnung wurde von dem Grundstückseigentümer zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Als übliche Miete ist eine Quadratmeter-Miete von 6 EUR/m2 anzusetzen. Der Bodenrichtwert beträgt 250 EUR/m2.
Nach dem Ertragswertverfahren ergibt sich aus der üblichen Miete von 96 m2 × 6 EUR/m2 × 12 = 6 912 EUR und dem Vervielfältiger von 12,5 ein Ausgangswert von 86 400 EUR.
Dieser Ausgangswert ist um eine Alterswertminderung von 28 Jahre × 0,5 % = 14 % von 86 400 EUR = 12 096 EUR zu kürzen. Danach verbleibt ein Betrag von 74 304 EUR. Da sich die Eigentumswohnung in einer Wohnanlage befindet, die über mehr als zwei Wohneinheiten verfügt, ist kein Zuschlag vorzunehmen. Der um die Alterswert...