Rz. 111

[Autor/Stand] Das Grundsteuergesetz enthält in § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG keine Definition des Begriffs "dem öffentlichen Verkehr dienend". Eine besondere Qualifikation der Verkehrsfläche als sog. öffentliche Sache in einem vom öffentlichen Recht geprägten Sinne wird durch den Wortlaut allein für sich genommen nicht gefordert.[2] Nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG ist es ausreichend, wenn die dort benannten Verkehrsflächen einen bestimmten Zweck erfüllen. Der BFH geht jedoch in ständiger Rechtsprechung von einem Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "dem öffentlichen Verkehr dienend" nur dann aus, wenn das betreffende Grundstück eine sog. öffentliche Sache im Sinne des Wege- und Straßenrechts ist.[3]

 

Rz. 112

[Autor/Stand] Der Sinn der Befreiungsvorschrift ist nicht die Begünstigung für solchen Grundbesitz zu gewähren, welcher nur aus freien Stücken und – unbeschadet vertraglicher Bindungen – jederzeit widerruflich dem allgemeinen Verkehr zugänglich gemacht wird, sondern lediglich für – vorbehaltlich einer späteren Entwidmung – endgültig dem Gemeingebrauch gewidmete Verkehrsflächen. Die Begünstigung privaten Erwerbs unter der einfachen Voraussetzung, dass der Erwerber das Grundstück für eine bestimmte Dauer – je nach dem anzuwendenden Landesrecht – jederzeit widerruflich zur allgemeinen Verkehrsnutzung freigibt, ist weder im Hinblick auf den Umfang der Begünstigung noch die sonstigen Befreiungstatbestände des § 4 GrStG als angemessen anzusehen.[5]

 

Rz. 113

[Autor/Stand] Für die Wertung, ob ein Grundstück als Straße, Weg oder Platz dem öffentlichen Verkehr dient, ist nicht auf das Straßenverkehrsrecht[7] abzustellen, sondern darauf, ob das Grundstück eine sog. öffentliche Sache im Sinne des Wege- und Straßenrechts ist.[8] Damit fallen unter die Steuerbefreiung nur die öffentlichen Straßen im Sinne des Wege- und Straßenrechts. Nicht ausreichend ist, dass auf den Straßen tatsächlich ein öffentlicher Verkehr mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Eigentümers stattfindet. Eine Anknüpfung an das Straßenverkehrsrecht führt nach Ansicht der Finanzrechtsprechung zu einer unverhältnismäßig starken Ausweitung des Anwendungsbereichs der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG. Dies steht nicht im Einklang mit der Absicht des Gesetzgebers, die Befreiungstatbestände des GrStG in ihrer Anwendung eng zu halten.[9] Vor diesem Hintergrund ist es daher insbesondere nicht ausreichend, wenn eine Straße dem öffentlichen Verkehr nur derart dient, dass dort ein öffentlicher Verkehr im Sinne des Straßenverkehrsrechts stattfindet und die tatsächlich erfolgende Nutzung der Straße auf bestimmte, mit dem Verfügungsberechtigten in enger Beziehung stehende Personen beschränkt ist.[10]

 

Rz. 114

[Autor/Stand] Kritisch anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass das Grundsteuergesetz sich für die Bestimmung des Regelungsbereichs des Befreiungstatbestands des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG nicht des Begriffs der öffentlichen Straße bedient, sondern ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal "Straßen, die dem öffentlichen Verkehr dienen" verwendet. Wenn nur öffentliche Straßen von der Grundsteuer hätten befreit werden sollen, hätte es auch nahegelegen, dass sich der Gesetzgeber dieses bei Erlass des Grundsteuergesetzes schon bekannten Begriffs bedient, der für Straßen prägend ist, die eine öffentliche Sache darstellen. Insoweit ist m.E. gegenüber der Finanzrechtsprechung die Ansicht vertretbar, dass aufgrund der Nichtverwendung des Begriffs der öffentlichen Straße durch den Gesetzgeber weder die Widmung einer Straße noch das öffentliche Eigentum Voraussetzung für die Anwendung des Befreiungstatbestands des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG ist. Eine Straße würde demnach immer dann dem öffentlichen Verkehr dienen, wenn auf der Straße ein öffentlicher Verkehr im Sinne des Straßenverkehrsrechts stattfindet, d.h. wenn die Straße ohne Beschränkung auf bestimmte, mit dem Verfügungsberechtigten in enger Beziehung stehende Personen zugänglich ist und auch so benutzt wird. In dieser Form der Benutzung kommt es nicht auf die innere Willenseinstellung eines Eigentümers an, sondern darauf, wie er seinen Willen durch die Zulassung der tatsächlichen Nutzung für den öffentlichen Verkehr in die Tat umsetzt.[12]

 

Rz. 115

[Autor/Stand] Eine öffentliche Straße oder ein öffentlicher Platz kann Gegenstand privaten Eigentums sein. Dabei treten die bürgerlichen Nutzungsrechte des Eigentümers i.S.d. § 903 BGB bis zur Entwidmung hinter der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung zurück. Soweit diese Bestimmung reicht, ist dem Eigentümer die Nutzung dauernd entzogen. Er kann die Widmung zur allgemeinen Nutzung – anders als bei den Straßen und Plätzen, die nur für das Straßenverkehrsrecht einem öffentlichen Zweck zugeordnet sind – nicht von sich aus rechtlich wirksam aufheben.[14]

 

Rz. 116

[Autor/Stand] Bei Sachen (vgl. § 90 BGB), deren Rechtsqualität als öffentliche Sache sich nicht aus der Natur ihrer Beschaffenheit ergibt, bedarf es einer öffentlich-recht...

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