Rz. 221
Durch die steuerlichen Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts der §§ 51 ff. AO sowie durch entsprechende einzelsteuergesetzliche Regelungen (z.B. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG) sollen private Körperschaften steuerlich begünstigt werden, die grundsätzlich im Gemeinwohl liegende Aufgaben wahrnehmen und damit den Staat entlasten. Diese steuerliche Begünstigung ist im Ergebnis jedoch z.T. nicht konsequent ausgestaltet, weil auch einzelne Tätigkeiten begünstigt werden, die nicht notwendigerweise dem Gemeinwohl dienen, z.B. Karneval/Fasching, Amateurfunk, Modellflug, Hundesport oder Tierzucht, vgl. § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO. Es handelt sich somit nicht bei allen Tatbeständen um klassische Beispiele für eine gemeinnützige Tätigkeit. Insoweit enthält die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG ein dem Ausnahmecharakter der Steuerbefreiungsvorschrift zuwiderlaufende unverhältnismäßig starke Öffnung des Anwendungsbereichs für Grundsteuerbefreiungen.
Rz. 222
Für die Begriffe gemeinnützige Zwecke und mildtätige Zwecke i.S.d. Grundsteuergesetzes gelten die §§ 52, 53, 55–68 AO. Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung oder Unterstützung geschieht nach § 55 Abs. 1 AO selbstlos, wenn die Körperschaft weder selbst noch zugunsten ihrer Mitglieder eigennützige oder eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt und im Übrigen die weiteren in § 55 Abs. 1 Nr. 1 – 5 AO genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Rz. 223
Bei inländischen Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die berechtigt sind, Spendenbescheinigungen i.S.d. § 10b EStG auszustellen, können die subjektiven Voraussetzungen ohne weitere Nachprüfung unterstellt werden. In Zweifelsfällen hat das Lagefinanzamt bei dem für die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse zuständigen Finanzamt anzufragen, ob und ggf. in welchem Veranlagungszeitraum für Zwecke der Körperschaftsteuer als gemeinnützig oder mildtätig anerkannt worden ist. Diese Entscheidung ist für die Grundsteuer bindend zu übernehmen. Allerdings ist damit nicht ausgeschlossen, mit Rechtsmitteln gegen eine negative Festlegung seitens des Lagefinanzamts vorzugehen.
Rz. 224
Der Grundbesitz muss als sog. objektive Voraussetzung für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt werden. Eine Körperschaft verfolgt gemäß § 52 Abs. 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. § 52 Abs. 2 AO enthält in den Nr. 1–25 einen Katalog an seitens des Gesetzgebers als gemeinnützig angesehenen Tatbeständen. Eine Förderung der Allgemeinheit liegt nicht allein deswegen vor, weil eine Körperschaft ihre Mittel einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuführt.
Rz. 225
Ob der geltend gemachte Benutzungszweck des Grundbesitzes gemeinnützig oder mildtätig i.S.d. §§ 52 ff. AO ist, muss für die Grundsteuer jeweils selbständig geprüft werden. In Einzelfällen kann trotz des Vorliegens einer gemeinnützigen Tätigkeit nach dem Ergebnis der Prüfung durch das Lagefinanzamt ein nicht zu gemeinnützigen Zwecken verwendeter Grundbesitz bestehen.
Rz. 226
In Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a bzw. Buchst. b GrStG ist der Grundbesitz steuerpflichtig,
- der zu Wohnzwecken benutzt wird, soweit er nicht unter § 5 Abs. 1 GrStG fällt,
- auf dem ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ausgeübt wird, der nicht Zweckbetrieb i.S.d. §§ 65–68 AO ist,
- der land- und forstwirtschaftlich genutzt wird, soweit nicht § 6 GrStG anzuwenden ist,
- der als unbebautes Grundstück bewertet ist, soweit nicht die Voraussetzungen des § 7 GrStG erfüllt sind,
- der einem Dritten zur Benutzung überlassen ist, jedoch nicht, wenn auch der Dritte zu den nach § 3 Abs. 1 GrStG begünstigten Rechtsträgern gehört und er den Grundbesitz für einen begünstigten Zweck benutzt.
Rz. 227
Grundsteuerfrei ist auch der Grundbesitz, auf dem ein Zweckbetrieb i.S.d. §§ 65–68 AO – im Gegensatz zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gemäß § 64 Abs. 1 AO – unterhalten wird. Ein Zweckbetrieb ist gemäß § 65 AO gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient,
die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen,
- die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und
der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.
Rz. 228
In diesem Zusammenhang enthält § 68 AO als spezielle Norm einen Katalog mit typischen Zweckbetrieben. Eine Grundsteuerbefreiung kommt insoweit nicht nur im Fall der Unterhalt...