Rz. 77.2
Bei der Bewertung von Passivhäusern hat sich in der Praxis die Frage gestellt, ob insoweit das Ertrags- oder das Sachwertverfahren anzuwenden ist.
Rz. 77.3
Mit dem Begriff "Passivhaus" wird ein bestimmter Energiestandard eines Gebäudes beschrieben. Als Passivhaus wird ein Gebäude bezeichnet, wenn die thermische Behaglichkeit allein durch Nachheizen oder Kühlen des Frischluftvolumenstroms, der für eine ausreichende Luftqualität erforderlich ist, hergestellt wird, ohne dazu zusätzliche Umluft zu verwenden. Das Funktionsprinzip des Passivhauses beruht damit auf einer Konstruktion, die es ermöglicht, Energieverluste durch eine gute Wärmedämmung aller Umfassungswände, durch eine weitgehende dichte Gebäudehülle und durch eine kontrollierte Wohnraumlüftung auf ein Minimum zurückzuführen. Zu großen Teilen wird der Heizenergiebedarf aus Wärmegewinnen durch Sonneinstrahlung sowie der Abwärme von Personen und technischen Geräten gedeckt. Der verbleibende Heizenergiebedarf erfolgt durch eine kontrollierte Wohnraumbelüftung mit Zuluftnachheizung. Eine Heizungsanlage im herkömmlichen Sinn ist daher nicht erforderlich. Das Passivhaus ist die Weiterentwicklung des sogenannten Niedrigenergiehauses.
Rz. 77.4
Grundsätzlich ist das Passivhaus mit einem in konventioneller Bauweise errichteten Gebäude vergleichbar. Allein die Errichtung eines Ein-/Zweifamilienhauses als Passivhaus dürfte m.E. nicht die Anwendung des Sachwertverfahrens rechtfertigen. Die Wertermittlung kann daher im Ertragswertverfahren erfolgen. Das Sachwertverfahren wäre nur anzuwenden, wenn das Gebäude besonders ausgestattet oder ausgestaltet ist (vgl. § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG).
Rz. 77.5
Bei der Bewertung von Passivhäusern im Ertragswertverfahren ist die Ermittlung der üblichen Miete problematisch. Denn die übliche Jahresmiete ist im Regelfall unter Berücksichtigung der nach den Wertverhältnissen des 1.1.1964 aufgestellten Mietspiegel zu ermitteln. Allerdings kann für Passivhäuser unmittelbar aus den Mietspiegeln keine übliche Miete abgeleitet werden, weil derartige Gebäude im Hauptfeststellungszeitpunkt nicht vorhanden waren. Somit waren am 1.1.1964 keine Gebäude gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung in repräsentativer Anzahl vermietet, so dass die unmittelbare Ableitung einer üblichen Miete für Passivhäuser ausscheidet. M.E. sollte dieser Umstand jedoch kein Anlass für eine Bewertung von Passivhäusern im Sachwertverfahren sein. Vielmehr sollte die besondere Konstruktion und Wärmedämmung im Rahmen der Auswertung der Ausstattungsmerkmale des Gebäudes zu einer angemessenen Ermittlung der üblichen Miete führen. Das bedeutet, die bei einem Passivhaus für den Wärmeaustausch erforderliche Lüftungsanlage ist wie eine moderne Heizungsanlage zu werten. Dementsprechend sollte m.E. auch bei der Bewertung von Niedrigenergie-, Null- oder Plusenergiehäusern verfahren werden.