a) Steuertatbestand
Rz. 185
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG gilt (Fiktion) als Schenkung auf den Todesfall auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft bei dessen Tod auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Todes nach § 12 ErbStG ergibt, Abfindungsansprüche Dritter übersteigt. Die Fiktion betrifft den Anteilsübergang, der als Schenkung auf den Todesfall behandelt wird, und bestimmt zugleich den Umfang des steuerbaren Vermögenszuwachses. Bei einem den Steuerwert eines durch gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklausel vom Mitgesellschafter erworbenen Kommanditanteils übersteigenden Abfindungsanspruch der Erben ist auch dann kein negativer Erwerb nach § 3 Nr. 2 Satz 2 ErbStG anzusetzen, wenn der Kommanditist zugleich Miterbe und damit Inhaber des Abfindungsanspruchs ist.
Rz. 186
Von der Vorschrift nicht erfasst sind die bei Personengesellschaften vorkommenden rechtsgeschäftlichen oder erbrechtlichen Nachfolgeklauseln.
Rz. 187
Der Gesetzgeber wollte es mit der Regelung besonders gut machen. Gelungen ist ihm das nicht, da er sich in der Grammatik und im Gesellschaftsrecht verheddert hat. Was gemeint ist, wird deutlicher, wenn man die Vorschrift so liest: "Scheidet ein Gesellschafter durch Tod aus einer Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft aus, liegt eine Schenkung auf den Todesfall an die verbleibenden Gesellschafter insoweit vor, als der Wert seines Anteils (§ 12 ErbStG) im Zeitpunkt des Ausscheidens die Abfindungsansprüche Dritter übersteigt".
Rz. 188
Die korrespondierende Vorschrift ist § 7 Abs. 7 ErbStG, die wortgleich die Situation des Ausscheidens unter Lebenden besteuert, sofern der steuerliche Wert des Anteils höher ist als der Abfindungsanspruch. Dort wie hier gilt, dass die Vorschrift seit 1.1.2009 enorm an Bedeutung gewonnen hat, weil die seitdem geltende rechtsformunabhängige Bewertung des Anteils an einer Kapital- oder Personengesellschaft mit dem gemeinen Wert dazu führt, dass dieser Wert sehr häufig den nach Gesellschaftsvertrag geschuldeten (meist der Höhe nach begrenzten) Abfindungsanspruch übersteigt (s. auch Rz. 196 f.).
Rz. 189
Einstweilen frei.
b) Übergang des Anteils
Rz. 190
§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG gilt nach seinem Wortlaut für Personengesellschaften wie für Kapitalgesellschaften. Aber der Wortlaut der Norm wirft eine Fülle von Zweifelsfragen auf. So kann eine Personengesellschaft keine eigenen Anteile erwerben. Auch ihre Gesellschafter erwerben nicht durch Übergang eines Gesellschaftsanteils, sondern durch Anwachsung. Jedenfalls ist dieser Erwerb gemeint. Das gilt auch für eine zweigliedrige Gesellschaft, wenn ihr Vermögen im Ganzen auf einen Gesellschafter kraft Anwachsung oder kraft Übernahmerechts übergeht; hier bleibt keine Gesellschaft übrig, sondern nur ein Einzelunternehmen. Dennoch soll auf diesen Erwerb § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG analog anwendbar sein. Ein "Übergang des Anteils" auf die Gesellschaft ist daher nur bei einer Kapitalgesellschaft möglich.
c) Abtretungsverpflichtung
Rz. 191
Wird ein Anteil aufgrund einer im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Verpflichtung an einen oder mehrere Gesellschafter abgetreten oder – was nur bei Kapitalgesellschaften möglich ist – an die Gesellschaft selbst, handelt es sich zwar um einen Erwerb, der auf dem Ausscheiden des Gesellschafters "beruht". Aber das andere Tatbestandsmerkmal ist nicht unmittelbar erfüllt, dass der Anteil beim Tod des Ausgeschiedenen übergeht. Denn beim Tod des Ausgeschiedenen besteht nur eine Abtretungsverpflichtung, die erst anschließend durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erfüllt wird. Erst nach dem Zwischenakt kann der Dritte Gesellschafter werden. Die Steuer entsteht erst mit Abtretung, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG. Die Verschonungsregelungen §§ 13a, 13b ErbStG finden Anwendung.
Rz. 192– 194
Einstweilen frei.
d) Bewusstsein der Unentgeltlichkeit
Rz. 195
Anders als bei Satz 1 des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG muss bei Satz 2 das Bewusstsein der Unentgeltlichkeit nicht vorliegen. Das beruht darauf, dass der Erwerb fingiert wird. Damit ist auch der Einwand abgeschlossen, es handle sich um ein Wagnisgeschäft – eine Art Russisches Roulette –, wenn die Gesellschafter im gleichen Alter sind, und damit um einen entgeltlichen Vorgang, da dann statistisch jeder die gleiche Chance hat, zu verlieren oder zu gewinnen.
Auch wenn der Verstorbene so ausscheidet, wie er eingetreten ist, also beide Male zum Buchwert, können die verbleibenden Gesellschafter steuerpflichtig bereichert werden.
e) Bewertungsfragen
Rz. 196
Die Vorschrift richtet sich vornehmlich gegen die Buchwertklauseln. Solange für die Mitunternehmerschafte...